Es gibt Sportler, die überlegen sich genau, welche Wettkämpfe sie wann und warum mitmachen. Und wenn sie einen gefunden haben, dann trainieren sie dafür. Stück für Stück. So habe ich es auch beim Ironman gemacht. Nach jahrelanger Vorarbeit und mit reiflicher Überlegung mit mehreren Monaten Vorbereitung ging es an den Start.
Die Langdistanz beim Schwimmen ist auch so ein Ding, bei der viele sich lange körperlich und mental vorbereiten. Nur Melli und ich haben uns ein paar Tage vorher spontan überlegt, dass wir auch starten könnten. Mal eben zehn Kilometer schwimmen.
Meine Schwimmanfänge
Wenn ich so zurück denke, muss ich schmunzeln. Ich war schon immer Läuferin. Im Freibad war ich im Sommer zwar auch, aber eben um vom Turm zu springen und Arschbomben zu machen. Waserratte ja, aber wirklich schwimmen? Nein. Im Schwimmunterricht in der Schule hatte ich immer eine Ausrede, um nicht mitmachen zu müssen – das war mir zu kalt, zu nass und zu blöd.
Dann habe ich 2013 mit Triathlon angefangen und Schwimmen von der Pieke auf gelernt. Unsere Trainer Johann und Henning müssen ab mir verzweifelt sein. Und als es hieß, wir schwimmen jetzt mal zwei Bahnen am Stück, wusste ich beim besten Willen nicht wie. Aber es klappte. Und nach und nach konnte ich eine Bahn nach der nächsten ziehen.
Hier sind zwei alte Blogs von mir aus dem Jahr 2013: das erste mal 15 Minuten Kraulen und das erste Freiwassertraining eh und je.
Erste Wettkämpfe
Es folgten der erste Sprint-Triathlon, die erste Mitteldistanz und viel Training, aber wirklich wohl gefühlt habe ich mich im Wasser nie. In einem Trainingslager habe ich es sogar geschafft, in zwei Wochen nicht einmal mit ins Wasser zu gehen. Und das Schwimmen war immer meine größte Angstdisziplin. Ich war vor einem Triathlon ein nervliches Wrack.
Die Zeiten ändern sich
Aber die Zeiten ändern sich. Nach mehreren Mitteldistanzen kam die logische Konsequenz: meine erste Langdistanz 2018 in Frankfurt. Und dafür habe ich richtig viel trainiert, auch im Wasser. Meine ersten fünf Kilometer am Stück standen an, sowohl im Bad als auch im Freiwasser. Mein erstes 6-km-Schwimmen beim Seim & Run habe ich auch geschafft. Und ich wurde jedes Jahr ein bisschen besser. Sicherer.
Dieses Jahr hat es dann im Freiwasser irgendwie klick gemacht. Ich habe mich auf einen Schlag um zehn Sekunden auf 100 Meter verbessert, weil ich immer schön Entenpaddeln und Wriggen geübt habe. Plötzlich hatte ich ein ganz anderes Wassergefühl und hatte mit einem Mal richtig Spaß am Schwimmen. Und dann kam dieser Wettbewerb…
Bilder sagen mehr…
Bevor ich lange beschreibe, wie es war, zeige ich Euch aber jetzt am besten einfach einen Zusammenschnitt aus ein paar Videoclips. Viel Spaß…
Geschafft! 100×100!
Melli und ich hatten uns für eine Abgangszeit von 2:15min entschieden. So konnten wir entspannt unsere Bahnen ziehen und hatten immer genug Pause, bevor es auf den nächsten 100er ging. Um 15.30 Uhr sind wir mit vier anderen Mädels auf Bahn 6 ins Wasser. Und dann ging es los. Bis zur ersten Pause nach dem 27. Intervall lief alles einwandfrei. Kurze Pause von fünf Minuten, dann ging es weiter bis 51. Auch da war noch alles super.
Zweite Hälfte, zähe Hälfte
Nicht, dass ich was anderes erwartet hätte. Aber langsam wurde es mühselig. Wir haben uns zu dritt so abgewechselt, dass immer eine vorne schwamm und die anderen beiden den Schwimmschatten nutzen konnten. Kraftsparen war hier das Motto – denn so eine Strecke ohne Köpfchen ist überaus schwierig. Die anderen drei haben ihr eigenes Ding gemacht. So waren wir gut aufgeteilt und konnten uns immer absprechen.
Ich bin von 60 bis 70 nochmal vorne weg geschwommen, dann habe ich die Postition wieder abgegeben. Meine Bizepssehne fing an wehzutun. Bei jedem Hub der Arme nach vorne schoss es rein. Konditionell hatte ich keine Probleme, aber meine Arme wurden langsam wirklich lahm. Und wir hatten noch ein paar Kilometer vor uns…

Aufgeben ist keine Option
Aber aufgeben war keine Option, jetzt waren wir schließlich schon über zwei Stunden zugange und die Medaille rückte immer näher. Also nicht mehr denken, einfach machen – und alle Kraft mobilisieren, die da war.
Unsere Supporter am Beckenrand brachten uns Brühe, motivierten uns, zeigten immer an wie viele Bahnen es noch bis zur nächsten Pause waren. Nach 7.500 Metern durften wir noch einmal kurz aus dem Wasser, Energie tanken, Arme ausschütteln. „Nur noch“ 2,5 Kilometer… Wir kamen immer noch bei rund 1:45min/100m raus und hatten Zeit zum Verschnaufen, bevor es wieder weiter ging. Irgendwann wurden die Pausenzeiten aber auch kürzer… nur noch 15 bis 20 Sekunden, dann ab die Post. Als die 90×100 plötzlich auf der großen Leinwand zu sehen war, habe ich unter Wasser fast kurz geheult. Ich wusste jetzt, dass ich das schaffe. Egal wie.
99×100
Und dann war es endlich soweit. Jeder Meter tat weh, ich wollte nur noch ankommen – und ich bin angekommen. Auf dem vorletzten 100er schossen mir die Endorphine durch die Blutbahn. Dass ich meine Arme kaum noch nach vorne bekam, war mir völlig egal. Einfach durchziehen. Noch einmal Pause und dann die letzte Bahn! Die 100. 100-Meter-Bahn, wahnsinn! Der Veranstalter Martin Lenz stand am Beckenrand und hat uns durchs Mikro angejubelt, das hörte ich auch unter Wasser. Und dann der letzte Armzug: geschafft! Was für ein Gefühl! Vier Stunden und 10 Kilometer später…
Die letzte Medaille der Saison
Wir haben noch den letzten Schwimmer ins Ziel geschrien. Man durfte am Ende nämlich drei Bahnen nachholen, falls man die Abgangszeiten nicht einhalten konnte. Und dann sind wir aus dem Wasser gesprungen und haben uns unsere hart erkämpften Medaillen abgeholt. So schön!

Johnny Bravo
Überglücklich und mega aufgedreht sind Melli und ich heimgefahren, haben uns in Köln noch mit veganem Thaicurry den Hunger gestillt und dann bin ich innerhalb weniger Minuten ins Bett gefallen. Am nächsten Morgen zeigte sich das Ausmaß der Ackerei: ich konnte mir kaum die Zähne putzen, so sehr taten meine Bizepssehnen weg. Ich habe mich vollkommen überdimensioniert gefühlt, wie aufgepumpt. Mein Kreuz war gefühlt sehr, sehr breit. In etwa wie das von Johnny Bravo. Ich musste aufpassen, dass ich nicht vorne rüberkippe.

Alles frisch
Aber im Laufe des Tages und spätestens nach der Thaimassage ist heute, an Tag II nach dem Wettkampf, alles wieder frisch. Die Arme haben nichts mehr, weder Muskelkater noch Schmerzen. Ich fühle mich wunderbar und überlege natürlich schon, was ich demnächst noch so für Bekloppte sachen machen könnte…
Bitte nachmachen – aber mit Training
Ich empfehle gerne, es uns nachzumachen. Aber nicht ohne sich gut darauf vorzubereiten. Mit ordentlichem Training, Stabi und Zugseil dürften sich die Bizepsschmerzen vermeiden lassen und dann kann man vielleicht auch die letzten paar hundert Mehter in vollen Zügen genießen.
Für ein bisschen Inspiration gibt es Trainingspläne und Videos mit Tipps vom Profi auf swim.de. Und 100×100 ist auf Tour. Wo es in den nächsten Wochen noch hingeht, könnt ihr in meinem letzten Blog nachlesen. Und jetzt heißt es: Chillen. Regenerieren. Viel essen. Und Kopf und Körper danken. 100×100 Mal!
