Eiger Ultra Trail E51

Den Eiger bezwungen

Anita Horn Mein Marathon, Sport & Fun, Trailrunning, Video

Bin ich jetzt eine echte Ultraläuferin? Wie lief es auf der Strecke? Und wie geht es nun weiter?

Mein erster Ultralauf

Man kann Dinge tun oder lassen. Aber wenn man sie lässt, weiß man nicht ob man sie gut gefunden hätte. Ich finde, man bereut mehr, etwas nicht getan zu haben als eben doch. Auch wenn ich das währenddessen manchmal anders gesehen habe bei meinem ersten Ultratrailrun. 51km und 3.100 Höhenmeter in den Schweizer Alpen beim Eiger Ultra Trail.

Eiger Ultra Trail 51k

Samstag, 20.Juli, 04 Uhr

Startschuss für die Starter des E101. Ein Ultratrail deluxe mit 6.600 Höhenmetern pure Schweizer Alpen. Zeitlimit 26 Stunden. Und tatsächlich kommt um 05.40 Uhr am Sonntag der letzte Läufer der Monsterstrecke ins Ziel gerannt. Einer der ersten Finisher dieser Distanz kam hingegen zusammen mit uns ins Ziel. Er hat nur 14 Stunden gebraucht. Und war damit nicht einmal auf dem Treppchen.

Samstag, 20.Juli, 06:45 Uhr

Startschuss für die schnelle Gruppe des E51. Die Stimmung brodelt, die Sonne streift schon die ersten Bergspitzen und ich habe ganz gummige Beine vor lauter Aufregung. Zum Glück bin ich nicht alleine. Meine Freundin Heike hat sich auch auf das Abenteuer eingelassen. Zusammen gehen wir in den Startblock, siedeln uns ehrfürchtig in die hinteren Reihen ein, die Trailstöcke haben wir parat, ich quetsche mir noch eine Banane rein und eine Salztablette rein.

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Der Countdown läuft

Und plötzlich laufen auch wir. Wir sind auf der Strecke. Das Gummigefühl in den Beinen ist weg. Aber mein Herz pumpt. Kaltstart. Es geht direkt leicht bergauf. Dann stehen wir nach fünf Minuten das erste Mal im Stau. Spurverengung. Alle tapern einen waldigen Weg unter. Dann entzerrt sich das Feld ein wenig und wir finden unser Tempo. Alle haben vorher gesagt: wandert die Anstiege. Das haben wir von Anfang an beherzigt. Heike geduldig mit mir. Sie hätte einige Teilabschnitte locker laufen können, ist aber ganz Team-like neben mir hergewandert. Im Stechschritt voran. Die erste Cut Off-Zeit sitzt uns schließlich im Nacken. Am First bei etwa Kilometer 14 müssen wir nach 3:30 Stunden registriert sein. Und schon auf den ersten vier Kilometern wird mir klar, dass das keine Trödelzeit ist. Also Beine in die Hand und los. Die Trailstöcke als Hilfsmittel sind mir jetzt schon der beste Freund. Dann kommt die erste Verpflegungsstation Große Scheidegg in Sicht. Wasser auffüllen, ein Gel, einen halben Riegel und zwei Salztabletten nehmen, ein Iso trinken und weiter. Wir haben noch verdammt viel vor uns. Ich bin angespannt.

Da unten im Tal sind wir gestartet…

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Ab jetzt laufen wir in der prallen Morgensonne. Es ist noch nicht spät. Aber schon irre warm. Es geht ordentlich bergauf. Dabei weiß ich, dass der steilste und längste Anstieg erst noch folgt. Und das macht mir Angst. Ich laufe sonst nie Berge und gehe auch nicht groß wandern. Ich habe kein Gefühl dafür was 3100 Höhenmeter wirklich bedeuten. Dass auch das Terrain einen Einfluss auf die Laufbarkeit und unser Tempo hat, habe ich mir vorher gar nicht vor Augen geführt. Die großen und kleinen Steine füllen bei jedem Tritt das Profil meiner Schuhe. Ich setze jeden Schritt möglichst konzentriert. Und schaue dann endlich mal auf, weg vom Boden auf ein unglaubliches Panorama: der Eiger strahlt wie ein Stück Gold mit etwas Puderzucker und um uns herum überall grüne Wiesen, aus der Ferne Kuhglocken und um uns herum andere Teilnehmer, die (noch) herum flachsen, grüßen, Glück wünschen. Danke, das kann ich brauchen. Ab und zu denke ich nämlich an die restlichen 40 Kilometer. An das angekündigte Gewitter am frühen Abend. An meine Wade, die an den Vortagen übel geschmerzt hat und komplett zu war. Ich konnte kaum auftreten in der Woche vor dem Rennen. Und das musste ich ja jetzt ein paar Mal öfter und mit höchster Belastung. War Freitag Abend noch kurzfristig beim Physio. Faszienmassage. Tape. Hoffnung.

Die erste Cut-Off Zeit

Dann von weitem der Blick auf den First. Eine Gondelstation. Damit wäre ich schneller oben gewesen. Die kleinen Männchen werden langsam zu echten Menschen. Eine sind eindeutig zufällig vor Ort und schauen ganz überrascht, was denn hier los ist. Andere gucken sehnsüchtig auf die Strecke, warten auf ihre persönlichen Helden und feuern währenddessen uns an: Bravo! Hophopp! Weiter so! Go for it! Wildfremde Menschen, die ich gerade am liebsten umarmen möchte. In meinem Kopf spielen zwei Sätze Pingpong: wieso tue ich das vs. boah ist das schön! Schön, aber hart. Extrem hart. Härter als mein Ironman letztes Jahr. Vollkommen ernst gemeint. Da war es zwar noch heißer und ich war 12:45 Stunden auf den Beinen, aber ich konnte die Belastung zwischen drei Disziplinen aufteilen, die Strecke war flach und ich war zu 85% in meiner lange antrainierten Komfortzone unterwegs.

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Die Eiger Nordwand

Auf dem First geht es auf einer Aussichtsplattform einmal um den Berg – mit Blick auf den weltbekannten Eiger. Wow! Hier bin ich. Zufuß! Einmal zur Verpflegungsstelle. Essen. Trinken. Schnell weiter. Denn jetzt kommt die größte Herausforderung des Tages. Der Aufstieg zum Faulhorn. Alter Schwede. Lange Hoch. Immer höher. Immer dünnere Luft. Die Teilnehmer werden alle immer langsamer. Einer singt. Und flucht. Ich glaube er singt um nicht zu schreien. Er kommt aus Brasilien. Macht Pause. Lässt mich vorbei. Oben auf einer Anhöhe stellt er sich an den Felsvorsprung und schreit aus tiefster Seele. Leider ist das hier noch nicht Faulhorn. Denn von hier aus geht es nochmal weit weit runter, Zeitmessung, Verpflegung mit Schatten im Kuhstall. Dixi. Und dann kommt der Schrecken der Strecke. Gut 500 Höhenmeter am Stück müssen wir jetzt hoch. Klang in meinen Ohren irgendwie nie viel. Aber jetzt wo ich davor stehe: ach Du Sch…! Bis auf 2.700 Meter Höhe geht es rauf. Die Luft wird mit jedem Schritt dünner. Wir schrauben uns mühselig rauf. Die Trailstöcke werden immer schwerer. Die Arme auch. Ich schicke Heike vor, ihr scheint der Berg nichts zu machen. Mir schon. Eine Menge sogar. Ganz, ganz weit oben sehe ich ein Häuschen. Und in miniklein eine Schlange Menschen, die auf dem Grat Richtung Häuschen stapft. Das wird noch ein weiter Weg.

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Atempause und ein wenig Angst

Ich mache Atempause, versuche die brennenden Beine etwas zu lockern. Einfach machen, denke ich. Ich nehme ein Gel und zwei Salztabletten. Weil ich wirklich Angst habe, dass meine Wade oder Krämpfe in den Beinen mich daran hindern könnten weiterzumachen. Ein kleiner Teufel in mir sagt zwar alle paar Meter: hör doch auf, fahr mit der Gondel runter und ruh dich aus. Aber selbstverständlich bin ich dafür nicht hier. Weiter hoch. Das Häuschen wird nicht wirklich größer. Ich vermeide also ab sofort nach oben zu gucken. Ich schaue auf den Boden, plane jeden Schritt. Weil krummes Auftreten und große Steine unter den Füßen kurze Schmerzen in meine Muskeln schießen lassen. Mein Hüftbeuger geht langsam zu. Was soll’s. Besser als die Wade. Also weiter. Noch 90 Minuten bis zur Cut Off-Zeit da oben. Dann komme ich zu einer Wegeskreuzung. Rechts liegt ein kleiner Ausläufer von Gletschereis. Ich muss links hoch.

Videos von der Strecke

Der höchste Punkt

Das Schild zeigt 25min bis zur Hütte. Das Haus nimmt jetzt doch langsam eine reale Größe an. Ich denke noch: ach so lange dauert das niemals mehr. Denn es sind scheinbar nur noch 100 Meter. Aber die Zeitangabe stimmt. Oben wird es etwas frischer. Ich juble. Ich friere sogar kurz. Und ich sehe Heike. Sie war deutlich schneller als ich oben. Tier! Wir sind knapp eine Stunde vor dem Zeitlimit da. Es gibt die leckerste Cola meines Lebens und ein Foto vom höchsten Punkt der Strecke.

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Wir setzen uns zwei Minuten auf eine Holzbank. Plaudern mit Wanderern, die aus der anderen Richtung kommen. Fünf Kilometer haben sie gemacht. Wieviel wir schon, wollen sie wissen. 24, sagen wir. Noch 27 mehr…

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Abstieg ist auch nicht schneller

Der Abstieg ist hart. Die Umstellung von Hocharbeiten zu Runter, die Erschütterungen auf die Muskulatur, das Wissen wieviel noch vor uns liegt, stresst mich. Aber dann wird es wieder wärmer und flacher. Und wir laufen immer öfter über Schnee und Eisfelder. An mehreren Ecken stehen Sanitäter bereit, um Anweisungen zu geben und beizustehen. Dreimal landen kurz hintereinander Helikopter, einer direkt hinter uns, keine 15 Meter, so dass ich fast weggeblasen werde. Ein Mädel kommt mit schlimme Krämpfen so gerade noch auf den Gipfel und wird abgeholt. Ein Läufer hinter uns stürzt. Schnitte an Händen und Beinen von den Spitzen Steinen und Eisbrocken kommen immer wieder vor.

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Eiszeit

An Laufen war auf dem Eis nicht zu denken. Null Grip. Es bleibt nur Beine anspannen und rutschen. Nicht schön für die Beine. Ich krampfe kurz, löse die statische Anspannung und falle auf den Hintern. Ich muss lachen. Meine kurze Hose ist sofort nass. Eine schöne Abkühlung. Denn es wird immer und immer heißer. Es folgen weitere Eisfelder und Pfützen. Die Socken sind jetzt auch komplett nass. Bitte keine Blasen.

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Dann ist Ende mit Eis. Es wird laufbar. Ein schmaler kiesartiger Trail führt am Berghang entlang parallel zu einer ewig langen Schlucht. Was für eine Aussicht! Immer wieder überholen uns Läufer. Wir überholen auch einige andere. Das ist meine Strecke. Flach, wunderschön. Viel zu kurz. Kaum freue ich mich, folgt der nächste Anstieg. Und ich bin gefühlt nicht mehr besonders geistesanwesend. Heike und ich plaudern wieder etwas mehr. Dann kommt plötzlich ganz unerwartet die nächste Verpflegungsstation bei km 30. Endlich. Nur noch ein Halbmarathon.

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Stressfaktor Durst

Leider habe ich meine Wasserblase im Rucksack nicht aufgefüllt, sondern nur was aus meinem Becher getrunken. Der Käse war leider schon weggegessen. Sowas Würziges hätte ich jetzt gerne. Andererseits war mir eh etwas übel. Das kenne ich schon, wenn ich in ungewohnten Höhen unterwegs bin und es dann wieder runtergeht. Ich muss permanent aufstoßen und hoffe, dass ich mich nicht übergeben muss. Das wäre das Ende für meine Kräfte. Dabei komme ich dem Ziel immer näher. Mit einem Stressfaktor. Meinem Durst. Meine Kehle ist elendig trocken. Durch die zusätzlichen Salztabletten habe ich wirklich das Gefühl, meine Zellen und Zunge sind vollkommen verdörrt. Wir laufen vorbei am Brienzersee, ich blicke auf dieses hellblaue Wasser und bekomme noch mehr Durst.

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Ein neuer Flow

Die Strecke ist jetzt flach bis wellig, viele Wurzeln, eher sandig, schön trailig. Ich versuche meinen Flow wiederzufinden. Klappt soweit. Hilft ja nichts. Durst hin oder her. Heike gibt mir was von ihrem Wasser ab. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Uns kommen Wanderer entgegen. Sie gehen langsam. Bleiben stehen. Machen uns Platz. Applaudieren uns. Auch wenn sie vielleicht gar nicht wissen warum. Sie sehen halt: wir laufen. Wir haben Startnummern, sind sehr angestrengt und schwitzen wie blöd. Dann ein Lichtblick. Da steht was von „200 Meter bis zur Versorgung“. Dumm nur, dass Versorgung nicht Verpflegung heißt.

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Ich habe mich schon so sehr auf Wasser eingestellt. Ich frage, wie weit noch. Zwei Kilometer, sagt ein Sanitäter. Wenn es sein muss. Es folgt ein Hang. Rutschig, Kies, Sand. Dann eine Tränke mit kaltem Wasser. Nicht trinkbar, aber gut für eine Abkühlung von Kopf, Nacken und Handgelenken. Wir laufen weiter. Bei weitem nicht so schnell wie ich so eine Strecke sonst runterrenne. Ich weiß gerade nicht, ob ich rauf oder runter schlimmer finde. Meine Beine schmerzen. Ich versuche soviel Last wie möglich auf die Trailstöcke zu geben. Die Haut an meinen Handinnenflächen glüht. Dann geht es querfeldein über eine Wiese ziemlich schräg und steil bergab. Immerhin auf einer Art Trampelpfad. Ich komme gefühlt noch langsamer voran als am Faulhorn aufwärts. Ich habe Angst, dass ich gleich einen Krampf kriege. Arbeite mich aber geduldig Richtung Wanderweg da unten in Sichtweite weiter. Dann sehe ich eine Fahne. Und höre Stimmen. Verpflegung!

Wasser, ich komme!

Heike ist zwei Minuten vor mir da und sitzt auf einer Bank. Erschöpft. Ein Läufer wird von den Sanitätern behandelt. Einige Läufer mit schwarzen Startnummern werden von den Helfern informiert, dass sie hier ab km37 nicht weiterlaufen dürfen. Die haben die Cut Off-Zeit für ihre E101-Strecke überschritten. Sie müssen den Shuttle nehmen. Für sie ist das Rennen vorbei. Einige scheint es zu erleichtern. Einige wüten herum und wollen weiter. Aber sie werden nicht gelassen. Auf meiner Uhr stehen jetzt 8:00 Stunden. Ich wage eine erste Hochrechnung und entwickle plötzlich eine unfassbare Energie. Wir können es wirklich schaffen!

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Rollenwechsel

Heike baut gerade ein wenig ab. Ihre Füße brennen, die Zehen schmerzen. Und ihre Lust noch mehr zu laufen nimmt nicht gerade zu. Sie hat noch nie einen Marathon gemacht. Und gerade ist sie auf dem Weg einen Ultratrail mit 3100 Höhenmetern zu schaffen. Das wäre ihre erste Medaille eh und je. Hier findet gerade sowas wie ein Rollenwechsel statt. Nun ziehe ich Heike und kann ihr etwas von ihrer treibenden Kraft am Anfang des Rennens wiedergeben. Es geht über ein löchriges Feld und dann rein in den Wald. Eine wunderschöne Strecke, wenn auch mit vielen Gefahren-Schildern vom Veranstalter. Es geht wieder steil bergauf, aber auf weichem Erdboden. Mit helfenden Wurzeln für den Tritt. Und sehr tiefen und übelst steilen Abhängen direkt neben meinem rechten Fuß. Ich bin hundemüde, versuche aber jeden Tritt so gut wie möglich zu kontrollieren.

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Wir wandern wieder in einer Menschenschlange hoch. Es stockt. Ich finde das gerade ganz angenehm. Das sind vermutlich nochmal 200 Höhenmeter. Aber die machen mir diesmal kaum was aus. Oben angekommen machen einige Pause. Ich laufe los und fange an zu überholen. Das Schöne: wenn man beim Trailrun jemanden hört, der sich schneller nähert als man selbst ist, macht man ganz von selbst Platz. Das ist toll. Ein Gemeinschaftsgefühl und viel Dankbarkeit macht sich in mir breit. Es ist wirklich ein Privileg hier dabei sein zu dürfen. Auch wenn ich soviel motze und leide wie schon lange nicht mehr. Vielleicht wie noch nie zuvor.

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Mein erster Jubelruf

Ich finde wieder richtig Spaß. Wir kommen zum Schild mit einer großen 40 und ich schreie wie eine Verrückte! Meine Freude muss raus! In die ganze Welt! Nur noch 11 Kilometer! Sowas! Das schaffen wir jetzt auf jeden Fall! Hinten am Horizont ziehen dunkle Wolken auf. Das ist die Zeit, in der es in Grindelwald Badewannen regnet, wie wir hinterher hören. Wir bekommen nichts davon mit, außer ein kühles Lüftchen. Das tut so gut. Ich ziehe Heike mit und rufe, dass sie gleich ihren ersten Marathon auf der Uhr hat. 42,195 Kilometer. Mit ein paar Bergen. Die Läufer um uns lachen. Und staunen. Zurecht. Dann ziehen wir davon. Und ein paar der anderen auch. Noch ein weiterer schmerzhafter Abstieg. Erst im Wald, steil und schmal. Wir Schrauben uns hinab. Dann auf Wiese. Dann das erste Mal Asphalt. Aua.

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Heike mag nicht mehr so recht. Ich finde es super. Weil ich das Ziel vor Augen habe. Ich bin eine Dampflok. Brauche lange zum Warmwerden, aber dann kann es ewig so weitergehen.

Nur noch 7km

Es folgt die letzte Verpflegungsstation und eine Zeitmessung. Die Riegel und Orangen, die Melone und der Käse schmecken so gut wie nie zuvor. Ein Schlauch sprüht kaltes Wasser in die Luft und macht einen kleinen Regenbogen. Ich renne mit einem Stück Wassermelone in der Hand durch die Dusche und tanze zur Musik aus den Lautsprechern. Wir packen unsere Trailstöcke weg. Jetzt müssen wir nur noch ins Ziel. Sieben Kilometer und ein letzter Anstieg to go. Die wohl zähsten sieben Kilometer unseres Lebens. Wir wandern viel, laufen aber auch immer wieder an. Am Fluss entlang. Grindelwald fest im Blick. Wir sagen das erste Mal: wir haben es ernsthaft geschafft. Aber noch sind wir nicht da. Wir kommen wieder in die Zivilisation. Bewohner stehen vor ihren Häusern und treiben uns an. Andere Läufer kommen uns schon mit Medaillen entgegen und reden uns gut zu. Wir überholen voller Ehrgeiz noch ein paar Leute. 11:30 Stunden auf der Uhr. Unfassbar.

Der letzte Anstieg

Ich war mir sicher, wir würden die erlaubten 14 Stunden ziemlich auskosten müssen. Aber im Moment sind wir auf sub12-Kurs. Während dann nochmal ein letzter richtig gemeiner Anstieg vom Fluss hoch in den Ort unsere letzte Energie pulverisiert und uns beide richtig wütend macht, überholt uns ein Läufer von der 100er-Strecke. Er scheint topfit. Wir verstummen. Leiden leise. Und stemmen mit Hilfe unserer Hände die Oberschenkel in den Boden. Verdammte Hacke! Wer hat diese Strecke mir geplant? Das Publikum wird dichter. Chapeau, hören wir. Starke Leistung. Meinen die echt uns? Sind wir wirklich da? Wir kommen oben zur Straße, direkt an unser Hotel. Das Bett so nah. Und doch geben wir nochmal Gas und lassen das Hotel links liegen. Wir laufen und schreien. Die Leute in den Restaurants an der Straße legen ihr Besteck weg und applaudieren. Ich schreie noch lauter. So laut ich kann.

Der lang ersehnte Zieleinlauf

Heike sagt: gib mir deine Hand! Und dann kommt die letzte Kurve, wir laufen auf die Bühne zu, über die letzte Holzbrücke auf der Messe zu und dann hören wir den Moderator unsere Namen sagen. Hand in Hand rennen wir ins Ziel und fallen uns in die Arme. Wir haben gerade ernsthaft in 11:44:49,2 Stunden unseren ersten Ultratrail geschafft. Es ist wie im Film. Wir bekommen unsere Medaillen umgehängt und grinsen.

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Wir lassen uns auf den Boden sinken. Nicht sehr schnell, denn das geben die Beine nicht mehr her. Eher quälen wir uns runter.

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Die Sonne strahlt uns an, die Berge auch. Und ein Teil davon hängt jetzt mit einem Band daran um unseren Hals. Was für eine wundervolle Erinnerung!

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Die Uhr zeigt am Ende sogar 54 Kilometer. Wir haben über 77.700 Schritte gemacht und 586 Stockwerke bezwungen. Wir waren 10:57 Stunden in Bewegung und den Rest in Rast – Luft holen, Atmung beruhigen, Wasser auffüllen, Fotos machen. Die Aussicht genießen. Glücksgefühle zulassen. Wir haben es geschafft!

Noch mehr Videos von der Strecke

Und jetzt?

Ob ich jetzt ein echter Ultrarunner bin? Keine Ahnung! Ich bin ja nicht die gesamte Strecke gelaufen. Und ein echter Trailläufer kann vermutlich deutlich besser bergab laufen und mit den verschiedenen Untergründen spielen. Ich bin jetzt vielleicht einfach kein reiner Straßenläufer oder Marathoni mehr. Aber ich sehe Straße und Marathon jetzt auch wieder mit anderen Augen – es ist anders, aber auch schön. Berge sind natürlich 1000 Mal schöner als Asphalt. Aber Berge haben auch ihre eigenen Gesetze. Und davon kenne ich jetzt einen Bruchteil. Ich würde gerne mehr davon kennenlernen. Aber Stück für Stück, ein ein Steinchen von der Eiger Nordwand.

Danke <3

Danke Heike, dass Du so einen verrückten Scheiß mit mir machst! Danke fürs Ziehen. Danke für diese unendlich einzigartige Erinnerung. Danke, dass Du ganz oben auf mich gewartet und mein Gemotze ertragen hast. Ich bin so unglaublich stolz auf Dich. Du hast deinen ersten Wettkampf ever, deinen ersten Marathon, deinen ersten Ultratrail und deine erste Medaille auf einmal klar gemacht. Und Du hattest im Ziel immer noch ein Lächeln auf den Lippen. Ich bin froh, dass ich Dich hab.

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Danke, Kopf und Körper

Danke, Manni, dass Du Dir extra für 05 Uhr morgens am Wettkampftag deinen Wecker gestellt hast, um mich anzurufen und mir viel Glück zu wünschen! Das hat mir ganz viel Kraft gegeben! Danke an alle, die mich vorher und während des Rennens mental, per Live-Tracker und auf der Strecke unterstützt haben. Und danke Grindelwald, dass Du mich wieder heile nach Hause hast gehen lassen. Du bist wunderschön und ich komme bestimmt wieder. Danke Eiger Ultra und allen Helfern aus der Strecke für eure Hilfe und diese Grenzerfahrung. Und danke allen, die sich gerade die Zeit genommen und diese Zeilen gelesen haben. Zu guter Letzt: danke, Kopf und Körper, dass ihr solche Strapazen mitmacht und mich immer wieder ins Ziel tragt. Ich hab euch alle sehr lieb! Und ich mache sowas nie wieder! Glaube ich…

Das Video vom Vorjahr – 2019 folgt

Der Gewinner

Ich habe viele Einsendungen mit Tipps zu meiner Zielzeit bekommen. Zwischen 8:30 Stunden und 12:20 Stunden war alles mit dabei – aber am nähesten dran an unseren 11:44:49,2 Stunden lag Susi Runskills mit 11:53 Stunden. Glückwunsch! Vielleicht bringe ich Dir den Becher persönlich und wir gehen eine Runde laufen?! :*

Mehr vom Eiger

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