Spekulatius, Dominosteine, Glühwein hier, ein Bierchen da, noch die Reste vom Schokonikolaus und an Heiligabend noch die fette Gans mit Kartoffeln, Bratensoße und Eis als Nachtisch. Na, Hunger? Vermutlich nicht mehr. Die Völlerei hat unseren Dezember bestimmt. Jetzt ist Zeit für Askese. Oder geht es auch ohne Qual und Verzicht? Ich sage: ja!
Ich habe an Heiligabend zwar mehr gegessen als sonst, aber die Feiertage habe ich dann eher genutzt, um ebenso mehr draußen zu sein, laufen zu gehen und Energie zu tanken. Ich fühle mich also eigentlich ganz gut. Erholt, satt, aber nicht überfressen.
Warum essen viele denn rund um Weihnachten überhaupt soviel? Ist ja nicht so, dass es uns jemand wegnehmen würde.
Die Verlockung ist groß. An allen Ecken und Enden lauert die Versuchung. Draußen ist es kalt und früh dunkel, viele wollen nicht vor die Tür, wer frei hat sitzt also viel Zuhause und wenn dort Knabbereien stehen, greift man halt zu. „Man gönnt sich ja sonst nichts“. Das Schwierigste am gesunden Essen ist es, der Versuchung zu widerstehen– überall bekommen wir Nahrung, 24 Stunden jeden Tag, im Supermarkt, an der Tanke, im Kiosk, im Restaurant, bei Freunden und Familie. Unsere heimischen Schränke sind voll und wir haben im Büro immer was stehen – das heißt wir essen oft weit über unseren Hunger hinaus. Der Körper gewöhnt sich dran, verlernt „hunger“ und „satt“ und will mehr von allem. Wenn wir alle Süßigkeiten, Schokolade, Spekulatius aus den letzten vier Wochen mal auf ein Tablett legen würden, würden wir uns vermutlich sehr erschrecken. Über schleichende Extrakilos wundert man sich erst Jahre später. Vielleicht der Grund, dass laut Statistischem Bundesamt ca. 60 Prozent der Männer in Deutschland übergewichtig sind. Bei den Frauen sind es etwa 40 Prozent – besonders Kinder werden immer dicker.
Früher gab es aus feierlichem Anlass ja eher Mandarinen, Nüsse, Trockenobst – heute gibt es alles in bunt, extra süß, extra groß, und das schon Ende September, Anfang Oktober. Das Problem erledigt sich dann ja vielleicht von selbst, wenn die Plätzchen wieder aus den Regalen verschwinden, oder?
Das wäre schön. Bei einigen funktioniert das sicher auch. Aber die meisten gewöhnen sich an Zucker: Ist ja auch super, er ist günstig, er konserviert, macht Speisen lecker und das Gehirn bekommt Energie. Dazu gibt es Kartoffeln, Nudeln, Reis, Brot und Limos und fertig ist die Kalorienkatastrophe. Aber die Kalorien selbst sind nicht unbedingt das Problem.
Sondern?
Zum einen die Gewohnheit: besonders karamellisierte und frittierte Lebensmittel geben uns einen „Kick“, das Gehirn schüttet positive Botenstoffe aus und wir werden regelrecht süchtig – nach süß und salzig und fettig und lecker. Gemüse schmeckt dann fad und langweilig – besonders Kindern. Und dadurch, dass wir permanent was zwischen den Kiemen haben, haben wir auch eine permanente Insulinausschüttung. Der Körper versucht mit der Dauerladung Zucker zurecht zu kommen. Alles was wir nicht durch körperliche Arbeit, sprich Sport, verbrennen, wird großteils in Fett umgebaut und eingelagert für schlechte Zeiten – nur dass diese vermutlich nie kommen werden. Wir essen ja nicht nur, wenn wir gerade was gejagt haben, sondern immer. Wir essen, um den Bauch voll zu machen, weil es schmeckt, aber nicht, weil wir es gerade brauchen oder um Nährstoffe zu tanken. Dazu sitzen wir viel zu viel und schleichend ereilen uns dann: Gesichtszunahme, Diabetes, Fettleber, Antriebslosigkeit bishin zu größeren Problemen. Das sind klassische Wohlstandskilos, die zu schlimmen Wohlstandskrankheiten führen. Und statt die Ernährung anzupassen, greifen viele der Einfachheit halber zu Pillen.
Wie mache ich es denn besser? Alle Reste wegschmeißen will ich auch nicht.
Es muss ja nicht alles jetzt und auf einmal passieren. Aber Ziel ist es definitiv, dauerhaft gesünder zu leben. Und gesünder heißt nicht fettlos. Der Fettkonsum hat durch viele Negativschlagzeilen über Fett und Öl stark abgenommen, wir haben aber stark zugenommen. Das heißt, Fett ist gar nicht der Übeltäter, sondern tendenziell der Zucker. Als Haushaltszucker und in Form von Kohlenhydraten, z.B. in Süßigkeiten, aber auch in Brot und Backwaren, Nudeln, Kartoffeln, aber auch Joghurts, Wurstwaren, Fertiggerichten, Bio-Tomatensoßen und Säften. Natürlicher Zucker in Früchten und Stärke in Gemüse und anderen Pflanzen ist aber durchaus gesund, da sind auch Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe enthalten und die machen satt. Insgesamt kann man aber sagen: der Körper braucht keinen Industriezucker von außen – er kann bei Bedarf (für Gehirn und Muskeln) nämlich selbst Zuckermoleküle bilden, aus Eiweißen und Fetten.
Was passiert denn mit dem Zucker in unserem Körper? Davon hatten ja jetzt viele eine ganze Menge.
Er wird in seine kleinsten Moleküle gespalten – wenn er nicht eh schon so ausgenommen wird. Daraufhin schüttet die Leber Insulin aus und der Zucker wird entweder für die Energiegewinnung genutzt (beim Sport, für das Gehirn), oder in Fett umgewandelt und gespeichert. Damals sinnvoll, weil es nicht immer überall Essen gab. Heute ungünstig. Vor allem industriell hergestellte Fruktose wird an Hüfte und Bauch gebunkert – da sollte man besonders gut auf die Packung gucken. In einem Ratgeber über Zucker schreibt die Verbraucherzentrale ganz schön: es geht nicht mehr um Bedarfsdeckung, sondern Bedarfsweckung. Wir essen gerade in der Weihnachtszeit ohne Unterbrechung – jede Mahlzeit – und dazu gehören auch Cappuccino und Kakao – sorgen für Arbeit. Der Magen arbeitet, die Bauchspeicheldrüse arbeitet, Insulin wird ausgeschüttet – und wenn Zucker verarbeitet wird, liegt die Fettverbrennung brach. Heißt: wir nehmen immer mehr zu, werden insulinresistent, bekommen Diabetes. Außerdem „karamellisiert“ der Darm regelrecht – weil gar nicht alles ins Blut aufgenommen werden kann – Darmprobleme, Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit weil Nährstoffe z.T. nicht mehr aufgenommen werden können, Erkrankungen des Nervensystems, Zysten, Allergien… Das Ding ist: die Bevölkerung ist verwirrt, denn zu jedem Lebensmittel und jeder Energiequelle gibt es unzählige Studien – aber ob sie wirklich valide und repräsentativ sind sei dahin gestellt, außerdem stehen die Ergebnisse oft für die Sicht der Dinge, die die Geldgeber vertreten, da darf man durchaus immer skeptisch sein. Sie werden häufig wissenschaftlichen Standards nicht gerecht, sind rein populärwissenschaftlich und verkaufen sich gut auf Magazin-Titelseiten oder Zeitungen. Aber da ist Vorsicht geboten.
Da vergeht einem ja schon der Appetit. Wem glaube ich? Was kann ich noch essen?
Wir sollten uns wieder mehr mit unserer Ernährung beschäftigen und nicht einfach essen, was uns von der Industrie vorgesetzt wird. Wir wissen oft gar nicht, was so in den Packungen drin steckt. Und achten vielleicht nicht genug auf die Zusammensetzung unseres Essens, also Kohlenhydrate (Zucker), Fett und Eiweiß. Im Buch „the perfect health diet“ gibt es eine spannende Auflistung – aber erstmal ein kleiner Exkurs zum Titel: das englische „Diet“ steht nicht für unsere Art von Diät, sondern bedeutet Ernährungsform, also eine dauerhaft gesunde Weise zu essen.
Im Buch heißt es: ein 70-Kilo- Mann besteht aus 42 Kilo Wasser, 13,5 Kilo Fett, 10,6 Kilo Proteinen und 3,7 Kilo Mineralien, 0,5 Kilo Glykogen, also gespeicherte Glucose = Zucker in Muskeln und Leber. Würde man das in Kalorien umwandeln, ergeben sich folgende Werte: Fett = 121.000 kcal = 73 Prozent der Körperenergie, Proteine 42.000 kcal und 25 Prozent und Glykogen 2000 Kalorien = 1,2 Prozent. Daran kann man sich orientieren, im Buch heißt es „Zu essen, was wir sind“. Aber wir essen aber vor allem Zuckerhaltiges und Kohlenhydrate – genau falsch herum. Proteine sind wichtig für Muskulatur, Immunsystem, alle Zellen, Organe, gute Öle und Fette sind essentiell für die Zellwände und wirken entzündungshemmend, in dem Fall das Omega3 aus Fischöl. Gut sind auch Lein- und Walnussöl, Avocado, Nüsse. Fett hat zwar mehr Kalorien als Kohlenhydrate und Proteine, macht aber satt und ist wichtig für viele Prozesse im Körper à statt der dicken Gans und Bratfett ist also ein Salat mit gutem Öl sicher die bessere Wahl. Und was auch nichts bringt, sind Nahrungsergänzung oder Pillen aus der Drogerie oder Apotheke – wenn man ungesund weiter isst wie sonst. Das biologische, echte Essen gibt genug her, wir müssen es nur zu uns nehmen.
Ein paar Pillen und dann trotzdem die Torte und das Schnitzel – bringt nichts. Leuchtet ein. Aber wenn ich jetzt Brot und Nudeln und Co weglassen soll, was gibt es denn dann noch auf dem Teller?
Eine Menge: vor allem Rohkost, Gemüse und Eiweiß aus pflanzlicher Nahrung. Das macht auch am längsten satt: Hülsenfrüchte, Mandeln und Kürbiskerne, Fermentiertes wie Käse und Joghurt, aber auch Tofu und Sojamilch. Das Soja, das für unsere Lebensmittel angepflanzt wird, hat auch nichts mit dem massenhaften Soja für Tierfütterung und der Abholzung des Regenwalds zu tun – unser essbares Soja hat ganz andere Auflagen. Gut ist es Eiweiße zu kombinieren. Denn nutzbare Proteine baut der Körper aus Aminosäuren zusammen, acht davon sind essentiell – wenn die uns fehlen, kann der Körper die Proteine nur bedingt oder gar nicht bauen, es fehlt an Bausteinen und wir mümmeln.
Jetzt habe ich nach den Feiertagen eh nicht so einen Hunger, ich habe zum Beispiel heute das Frühstück weggelassen, aber habe ich dann später nicht einen Hungerast, Heißhunger, und esse automatisch mehr?
Das Sprichwort „morgens essen wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettelmann“ ist heute nicht mehr zwingend gültig. Gerade nach der Völlerei ist es gut, mal eine Esspause einzulegen. Damit meine ich nicht tagelanges Fasten – da kriegt man im Zweifel schlechte Laune und kann auf Dauer auf Schaden anrichten. Aber gut ist es, morgens oder abends einfach mal nichts zu essen: das intermittierende Fasten ist ja gerade in aller Munde. Und Versuche an Mäusen zeigen: wir können die gleiche Menge Essen am Tag zur Verfügung haben, exakt die gleichen Lebensmittel, aber wer dauernd was isst, nimmt auf Dauer zu. Wer Pausen einlegt, bleibt schlank. (Die Mäuse: eine hatte immer Zugang zu ihrem Futter, die andere bekommt nur nachts was für acht Stunden, dazwischen 16 Std fasten). Dass man morgens viel essen soll, wenn man danach nur noch im Auto, in der Bahn, im Büro sitzt, ist also einfach nicht mehr zeitgemäß. Wer keinen Hunger hat, darf auch einmal mal nichts essen. Denn wer ständig isst, lässt seine Zellen ständig arbeiten, wachsen, zerfallen – und sorgt damit auch für schnellere Alterung.
Das heißt Weihnachten lässt uns alt aussehen?
Im weitesten Sinne. Man darf eine Zeit wie Weihnachten natürlich auch genießen, sollte man sogar. Wenn man davor und danach wieder weiß, wo vorne und hinten ist. Kalorienzählen ist dabei allerdings auch nicht unbedingt die Lösung, ich kann ja unter meinem Soll bleiben, aber das durch Schnitzel und Pommes decken. Aber auch das Gefühl ist nicht immer eine gute Orientierung: das kann ja auch täuschen und immer vermeintlichen Hunger melden. Den einen Hilft eher ein Essensplan, anderen hilft es vielleicht viel Gemüse auf Vorrat zu kaufen, Kochbücher als Inspiration bereitliegen zu haben, Gesundheitskochkurse zu belegen, die Schokolade zu verbannen. Und ich mach es z.B. so: ich habe immer viel Gemüse parat. Und auch immer Schokolade. Denn wenn sie da liegt, weiß ich: ich kann sie jederzeit haben und dann will ich sie gar nicht mehr – das funktioniert aber nicht bei jedem. Und wenn ich viel esse, habe ich automatisch einen Drang nach Bewegung.
Und wer das nicht hat?
Was gut hilft ist: direkt morgens loszulegen – direkt nach dem Aufstehen, langmachen, stretchen und den Kreislauf in Schwung bringen – ein paar Kniebeugen, eine Treppenstufe immer wieder rauf und runter. Und damit es nicht bei dem einen Mal bleibt: realistische Ziele setzen! Besser jeden Tag 5 min als alle zwei Wochen eine Stunde Verausgaben und dann keine Lust mehr haben. Wer mit diesen paar Minuten kleine Erfolge verspürt und sich gut fühlt, macht garantiert weiter. Super ist es seine Sporteinheiten in den Kalender einzutragen – auf dem Schreibtisch, Zuhause im Wandkalender oder mit Post Its an der Haustür, mit Handy-Erinnerung. Was auch gut wirkt: mit Freunden verabreden – entweder um zusammen um den Block zu gehen oder um per Handy und Video-Anruf zusammen was zu tun. Gut sind auch Messenger-Gruppen mit Foto-Pflicht. So hat man eine Art Kontrollinstanz. Einigen hilft es, sich Ziele zu setzen, der erste 5-km-Lauf? Keine Rückenschmerzen mehr haben? Nach Weihnachten einfach wieder wohlfühlen? Dann los! Jeder Tag zählt. Wer sich direkt für ein Gruppenevent oder einen Rückenkurs anmeldet, hat keine Ausreden mehr.
Ein Freund hat mich jetzt herausgefordert mit einer Sportwette…
Kleine Verabredungen sind super–mit den Nachbarn oder der Nichte: Zum Beispiel: bis Ostern gehen wir jede Woche 5x schnell spazieren. Oder: wir treffen uns im Januar 3x die Woche per Videoanruf und machen zusammen 5min Fitnessübungen. Wer absagt, zahlt das nächste Abendessen oder muss beim nächsten Mal 10 Kniebeugen extra machen. Wer „seinen“ Sport findet, bleibt auch bei der Stange: egal ob Fitnessstudio, Laufgruppe, Tennisverein oder Aquafitness – wer Spaß hat, macht auch weiter. Vereine und Studios haben meist Gratis-Probetrainings. Ansonsten: einfach Schuhe an und raus an die Luft: mal einen kleinen Baumstamm hochheben, über große Steine klettern, Rückwärts gehen. Neue Perspektiven und Herausforderungen schaffen.
Das klingt alles so stressig.
Soll es gar nicht. Aber Ruhe und Stressfreiheit sind auch wichtig. In der Zeit kann der Körper verdauen, reparieren und wieder ein Gefühl für Hunger und Durst zu bekommen und um dem Verdauungssystem mal Gelegenheit zu lassen „durchzuatmen“. Wenn wir dann auch noch schaffen, industriell hergestellte und verpackte Lebensmittel zu meiden und einfach mal Frisches, vom Markt holen, selbst Brot ohne Weizen backen, mit Nüssen, gekeimten Samen, Kräutern und Kokosöl z.B, Natursauerteig zu essen, wird das schon. Außerdem ist es toll, sich wieder mehr Zeit zu nehmen: für Einkauf, Zubereitung, Kochen und Essen – gut kauen, genießen, Wert auf Qualität legen. Rezepte gibt es ja genug: italienische Minestrone ohne Nudeln, rote Linsensuppe mit Ziegenkäsejoghurt und Minze
Spinatsalat mit rote Beete, Nüssen und Birne, Ofengemüse und Fisch – auch aus dem Ofen, dazu ein Korianderpesto und Chili-Quark, Buchweizenrisotto mit Tomaten und Champignons, Grüne Smoothies mit viel Gemüse, Kräutern, Äpfeln.
Na, Hunger? Mir läuft auf jeden Fall das Wasser im Mund zusammen – auf Gesundes.