Fitness | Optimierung im Selbstverfahren

Anita Horn Slider, Sport & Fun

In der Sport- und Fitnessbranche gibt es immer neue Trends. Einer heißt im Moment: Stoffwechseltests zur Selbstoptimierung. Egal ob Zuhause oder bei einem Berater, ob Blut-, Speichel-, Stuhl- oder sogar ein Gentest – es werden viele Möglichkeiten angeboten, die mir verraten sollen, wie ich mich am besten ernähre und welcher Sport mir am ehesten liegt – um abzunehmen oder um noch fitter zu werden. Wie die Tests funktionieren und ob sie wirklich bringen, was sie versprechen? Ich habe mich mit Fachleuten unterhalten und einen Test selbst ausprobiert.

Fitter oder schlanker werden geht leider nicht über Nacht – auch nicht mit einem Test. Aber man kann durchaus Möglichkeiten finden, seinen gesundheitlichen Status Quo zu ermitteln und darauf aufzubauen.

Mein Test

Ich habe den „myFitness“-Test von Lykon ausprobiert. Der kostet bei der Online-Bestellung 199 Euro und nach wenigen Tagen erhält man ein schickes Paket mit Anleitung, Piekser, Wattetupfern, Pflastern und Co – alles steril verpackt. Ich musste mir morgens nüchtern bis spätestens 10 Uhr ein paar Tropfen Blut aus dem Mittelfinger in ein Röhrchen tröpfeln lassen, mich auf der Lykon-Seite registrieren, Gewicht und Ernährungsgewohnheiten in mein Profil eintragen und meinen persönlichen Code mit meinem Profil verknüpfen. Nach nur wenigen Tagen hatte ich dann eine Mail, dass meine Ergebnisse online abrufbar sind – das lief alles anonym und verschlüsselt mit Codes. Ein anderer Anbieter ist zum Beispiel Cerascreen.

Mein Ergebnis

In meinem Profil erschien auf der Startseite klar sichtbar das Ergebnis: drei kritische Werte, elf optimale Werte. Unter anderen sind laut Test mein LDL-Cholesterin und mein Cortisol-Wert zu hoch und werden mir rot angezeigt.

Diese Werte werden beim Anklicken im Detail auf einer Skala angezeigt, so dass ich genau sehe, wo ich im Vergleich zum Normbereich liege.

Richtig interpretieren

Ich kann mir die Werte ansehen, grafisch übersichtlich und verständlich dargestellt, und es gibt einen Infotext für mich, in dem es heißt: ein hoher Cortisol-Spiegel kann Burnout, schlechten Schlaf, Gewichtszunahme oder Muskelverlust verursachen. Dazu bekomme ich Tipps wie „die Stressquellen nach Möglichkeit minimieren oder beseitigen“ und das Ganze durch eine gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf unterstützen. Um meinen LDL-Cholesterin-Wert zu senken, steht dort ich solle nicht braten und frittieren, Sojabohnen, Rapsöl und Sonnenblumenkerne zu mir nehmen und mehr Vollkorngerichte essen – Rezepte gibt es auch. Isabelle Schiffer vom Max Planck Institut für Altersforschung aus Köln gibt jedoch zu bedenken:

„Das ist nur eine Momentaufnahme. Wenn ich am Vorabend ein dickes Steak gegessen habe oder krank bin, ist es Ergebnis möglicherweise verfälscht. Und man bekommt generalisierte Tipps, die auf mich persönlich vielleicht nicht zutreffen.“

Die Tipps muss ich selbst umsetzen – und jeder weiß natürlich, dass es schwierig ist, Essgewohnheiten einfach mal eben umzustellen. Dass Stress und frittierte Pommes auf Dauer nicht gesund sind, weiß ich natürlich auch von selbst – aber nochmal schwarz auf weiß zu sehen, dass ich die Finger davon lassen sollte, kann ja manchmal schon reichen, um zumindest mal wieder bewusster beim Essen zu sein.

Status Quo zur Motivation

Wer seinen Status Quo kennt, ist vielleicht motivierter, wieder etwas mehr für seine Gesundheit zu tun. Es gibt zwar weder einen Kontrolltest inklusive, um später zu checken, ob meine Umstellung was gebracht hat, noch eine langfristige Betreuung. Aber der Hersteller rät, die Ergebnisse eher als Interpretationshilfe zu sehen und damit einen Arzt oder Heilpraktiker zu konsultieren. Die können auch helfen, die Zusammenhänge richtig zu interpretieren. Denn mein LDL-Cholesterin-Wert (das „böse“ Cholesterin) ist zwar erhöht, aber mein gutes HDL-Cholesterin ebenfalls – so dass sich daraus ein guter Gesamtwert ergibt. Und da ich zwei Monate vor dem Test einen Ironman gemacht habe, wundert es nicht unbedingt, dass meine Cortisol-Werte so stark erhöht sind. Geäußert hat sich das in wochenlangen schweren Beinen. Mittlerweile bin ich wieder fitter. Ein erneuter Test würde das möglicherweise in gesenkten Cortisol-Werten widerspiegeln.

Persönliche Betreuung

Wem eine Umstellung alleine schwer fällt, der kann mit etwas mehr Geld eine klassische Ernährungsberatung machen. Diplom-Oecotrophologin Natalie Quagliata von S-Lust in Köln macht auch klassische Bluttests (beim Arzt) und erarbeitet aus den Ergebnissen einen Ernährungsplan. Aber sie guckt auch: wie aktiv ist man, wie sieht der Lebensstil aus? Welchen Beruf hat man? Und betreut den Kunden langfristig. Das wäre dann der Test mit Rundum-Paket. Die Kosten liegen bei bis zu 600 Euro mit vier Folgesitzungen – eine Bezuschussung durch die Krankenkasse kann allerdings beantragt werden.

Speichel und Stuhl

Es gibt auch Tests von Verisana und Fairvital, die diverse Speicheltests anbieten. Die heißen dann „Leistungssport Monitoring“ oder z.B. „Weight Balance Test“, kosten meist zwischen 100 und 300 Euro und sollen mir helfen, mein Gewicht zu optimieren, weil ich so erfahre, ob mein Hormonspiegel in der Waage ist.Man schickt seine Speichelprobe ein und bekommt einen Laborbericht. Wieder mit Grafiken und Hinweisen wie „Übergewicht ist möglich durch ein Ungleichgewicht der getesteten Bakterien“. Hier heißt es: „ein ausgeglichener Hormonspiegel kann die Basis für eine erfolgreiche Gewichtsabnahme bilden. Da Hormone unter anderem den Fettstoffwechsel und die Energieversorgung im Körper regulieren, kann ein Hormonungleichgewicht die Ursache für einen erschwerten Gewichtsverlust oder eine Gewichtszunahme sein.“ Aber der Hersteller sagt selbst, dass die Angaben nur Interpretationshilfen sind und man einen Arzt oder Heilpraktiker hinzuziehen solle.

Das große Ganze

Gleiches gilt für zahlreiche Stuhltests. Gerade in Sachen Darmflora ist tatsächlich eine fachmännische Behandlung wichtig, sollten die Ergebnisse Alarm schlagen. Personal Trainer Michael Stiller aus Köln nutzt gelegentlich solche Tests für seine Kunden:

„Wenn mir ein Bakterienstamm fehlt, habe ich eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, das sind Sachen, da kann ich noch so viel Sport machen, es wird nichts bringen.“

Erst wenn die Darmflora in Takt ist, um Nahrungsmittel richtig zu verwerten und leistungsfähig zu sein, bringt ein gezieltes Training etwas. Es geht nicht um ein Bakterium, es geht um das große Ganze. Dabei kann die Zusammenarbeit mit einem ausgebildeten Trainer helfen – denn eine Optimierung kann manchmal alleine in der richtigen Intensität des Trainings oder den entsprechenden Regenerationszeiten liegen. Wer sich auskennt, kann mit den Testergebnissen natürlich auch selbst weiterarbeiten. Aber ein Coach kann durchaus helfen.

Gentests für mehr Fitness

Es gibt Institute wie „Progenom“ – das arbeitet mit der Uni Jena – und das „CoGAP“, das in einigen Bereichen mit der Uni Köln arbeitet. Beide machen eine Speichelanalyse bei ausgewählten Beratern (Ärzten, Ernährungsberatern, Trainern). Doktor Özüak vom CoGap hat mir am Telefon erklärt, dass nicht alle Menschen ihr Essen gleich verwerten. Bei einer Beispiel-Mahlzeit mit 500 Kalorien kann es sein, dass Person A sie gut verstoffwechselt und Person B sie „sofort auf der Hüfte hat“. Dabei spielen Gene laut CoGap eine entscheidende Rolle. Es gibt Studien, die besagen, dass das Körpergewicht zu 40-70 Prozent genetisch bedingt/ erblich ist. Gleiches gelte beim Sport: einer geht joggen und verbrennt viele Kalorien, an anderer verbrennt weniger. Mit der Analyse deiner Stoffwechselgene per Wangenabstrich sollst du dich individuell besser ernähren und dein Training optimieren können. Isabelle Schiffer vom Max-Planck-Institut sagt dazu:

„Muskeln sind sehr anpassungsfähig und können sich bei jedem Menschen verändern. Wenn man viel laufen geht hat man einen anderen Muskeltonus als wenn ich viel Krafttraining mache. Und selbst wenn man schlechte Genetik auf den Weg mitbekommen hat, kann man viel ändern und sehr lange sehr gesund leben.“

Zu wissen, ob Bodybuilding oder Marathon meinem Körper eher liegt oder ob ich ein Eiweiß- oder Kohlenhydrat-Verwerter bin, kann also helfen. Allerdings ist mein Schicksal dadurch nicht besiegelt.

Fazit

Wer gesund ist und seine Fitness/sein Gewicht dennoch optimieren möchte, muss zunächst den richtigen Test für sich finden. Wer krank ist oder sich nicht gesund fühlt, sollte hingegen sofort zum Arzt gehen – keine Experimente, keine Selbstanalysen und heimischen Tests.Für Leien sind Testergebnisse zum Teil schwer zu interpretieren, aber wer sich ein wenig auskennt oder mit den Ergebnissen zu jemandem geht, der sich auskennt, kann damit sicher an der ein oder anderen Stellschraube drehen, sich motivieren und ggf auch optimieren. Da viele Anbieter nicht nur die Tests verkaufen, sondern auch Nahrungsergänzungsmittel, sollte man immer angebracht kritisch sein und im Zweifel auch erstmal auf die Grundsätze achten. Denn am Ende sind es immer eine gesunde, ausgeglichene Ernährung und passende Bewegung, die meine Fitness und Gesundheit positiv beeinflussen – ob nun mit oder ohne Test.

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