Montag Morgen. Und ich sitze hier als wäre ein riesiges Nudelholz über mich gerollt. Mehrfach. Ich bin gerädert. Bin mit Hunger aufgewacht und brauche erstmal drei bis zehn Kaffee. Und ich habe Muskelkater – bisher nur in den Füßen. Aber ich bin sicher, der restliche Körper kommt noch nach. Ich war beim Platinman, bin jetzt eine Platinwoman und stolz wie Oskar.
Das Triathlon Team Hennef hat gerufen und ein paar hundert Läuferinnen und Läufer sind dem Aufruf trotz (oder gerade wegen) des Sauwetters gefolgt.
Schlammschlacht über 28 Kilometer
Der berühmt-berüchtigte Trailrun „Platin(wo)man“ hat seine Pforten in das Bergische Land geöffnet und für uns hieß das: eine saumäßige Schlammschlacht über 28 Kilometer mit 1000 Höhenmetern über Stock und Stein und Wasserläufe, tiefe Pfützen, durch dunkle blätterlose Waldabschnitte wie bei Harry Potter, märchenhafte Hügellandschaften und herbstliche Blättermeere, über schmale Singletrails und unwegsame Hügel, die eine ich-weiß-nicht-wieviel-prozentige Steigung hatten. Auf jeden Fall war laufen (für mich) hier streckenweise unmöglich und ich habe ab sofort noch mehr Respekt vor Trailläufern, die hier noch ernsthaft vom Boden abheben und eine Flugphase vorweisen können.
Mein Video
Danke
Das Schöne ist: ich habe vor allem an diesen harten Streckenabschnitten andere Läufer kennengelernt. Die Stimmung war grandios und wenn es nicht auf ein paar Minuten ankommt findet man eben auch Zeit zu quatschen und Witze zu machen. Und Wandern ist ja auch was Schönes. So konnte ich die Umgebung wenigstens in vollen Zügen genießen. Denn das steht fest: NRW hat so wunderschöne Ecken zu bieten, dass ich sie gar nicht auf Bildern festhalten konnte. Danke deshalb an die Organisation für die Streckenauswahl und den Einblick in diese tolle Region. Die Strecke knüpfe ich mir auf jeden Fall nochmal vor. Danke an dieser Stelle übrigens auch an alle Helfer, die auf der Strecke waren, uns mit warmen Zitronentee, Bananen und Cola versorgt haben und Wege gewiesen haben – trotz der stechenden, nassen Kälte. Danke!
Streckenführung
Meine größte Sorge vorab galt tatsächlich nicht der Frage, ob ich die Strecke schaffe (da war ich blauäugig genug, schließlich laufe ich ja auch 30 flache Kilometer im Training aus dem Stehgreif). Meine Sorge galt der Streckenführung. Würde die Route gut ausgeschildert sein? Ich kenne mich in der Gegend nun einmal null aus und eine Freundin aus meinem Starterinnen-Team bemerkte zurecht „da gibt es ja nichts zum Orientieren. Keine Geschäfte und nichts“. Ich dachte an diversen Stellen auch, dass wir doch schon mal dort waren. Aber dem war nicht so. Entlaubte Bäume sehen sich eben doch recht ähnlich. Aber ich hatte nicht ein einziges Mal das Gefühl, dass ich verloren wäre und nicht wüsste wo ich lang muss. Überall waren Platinman-Schilder an Bäumen, Sägespäne-Pfeile auf dem Boden und rot-weißes Flatterband am Wegesrand. Ich habe mich selbst dort nicht verlaufen, wo ich manchmal minutenlang alleine unterwegs war. Aber spätestens an den Verpflegungspunkten kamen die ähnlich schnellen Teilnehmer dann auch wieder zusammen, haben einen Plausch gehalten und dann ging es gesammelt weiter. Wir wollten schließlich alle die Medaille.
Pfffffft pfffft pffffffft zwwwwwffftt
Auch wenn wir am ersten Anstieg erstmal Geduld beweisen mussten. Es gab eine Warteschlange und wir spazierten wie die Lemmings den ersten Hügel hinauf. Danach hat sich das Teilnehmerfeld aber direkt entzerrt und ich konnte mein Tempo laufen. Was nicht sehr schnell war. Denn meine Schuhe haben schon nach dem ersten Kilometer gefühlte drei Kilo mehr gewogen. Der nasse, schwere Schlamm hat sich an der Sohle und auf dem Stoff festgenagt hat wie ein hungriger Biber. Das sollte sich auch auf der restlichen Route nicht mehr groß ändern. Ich muss gerade lachen. Was mir von der Strecke vor allem in Erinnerung ist, sind die Matschgeräusche vom Laufen. Pfffffft pfffft pffffffft zwwwwwffftt. Der Strongman Run ist ein Witz gegen den Platinman. Und der K21 auf Mallorca war auch recht locker im Vergleich zum Hennefer Trail. Was auch daran liegen kann, dass die letzten Kilometer ja irgendwie doch immer die härtesten sind – so wie das letzte Kölsch immer schlecht war. Und einen solchen Trail über diese Distanz habe ich vorher noch nie gemacht.
Natürlich habe ich alles feinsäuberlich (oder feinschlammig) aufgezeichnet – inklusive Höhenmeter, Herzfrequenz und Haltestellen – zu finden hier auf Garmin Connect.
Nasse Füße
Und ich muss sagen, ich bin ein bisschen froh, dass ich vorher nicht genau wusste, was mich da erwartet, sonst hätte ich vielleicht nicht mitgemacht aus Angst ich würde es doch nicht schaffen. Diese Strategie fahre ich schon seit längerem. Egal ob beim Epic Israel ein 3-Tage-Mountainbike Etappen-Rennen in den Golanhöhen Israels oder bei so manch einem 70.3-Ironman. Ich mache immer einfach und haue mir hinterher auf den Kopf. Leichtsinnig. Und genau richtig so! Ich als Flachlandtiroler hätte sonst garantiert einen Rückzieher gemacht. Zum Glück habe ich einfach mitgemacht.
Warum mache ich das nochmal?
Mir wäre sonst die schönste Alternative zu einem ausgiebigen Sonntagsbrunch bei Schietwetter entgangen. Auch wenn ich ab Kilometer 13 durchaus ab und zu überlegt habe, warum ich das nochmal genau mache. Bis dahin hatte ich es geschafft wenigstens halbwegs trockene Füße zu bewahren. Aber dann war Schluss damit. Eine recht harmlos aussehende Pfütze stellte sich als knöcheltief heraus und wollte mich auffressen. Schwupp war ich weg. Versunken in den Untiefen des grau-braunen Schmodders. Eiskalt. Ekelhaft. Aber ab dann war alles egal und ich bin immer nur noch mitten durch. So muss Traillauf.
Rutschgefahr
Leider habe ich nach dieser nasskalten Erfahrung Krämpfe in den Füßen bekommen, die ich bis zum Ende nicht mehr abschütteln konnte. Dazu immer dieser ungerade Auftritt auf Stöcken und Steinen haben mir den Rest gegeben. Mein Kopf musste echte Überzeugungsarbeit leisten, damit mein Körper weiterläuft. Ich hatte ganz schöne Schmerzen. Aber ich bin ja nicht zum Heulen da. Bergab musste ich oft im Schneckentempo weiter, weil meine Füße die Belastung kaum abfangen konnten ohne sich zu verzerren. Aber egal, vier Stunden Cut Off-Zeit sollten auch so machbar sein. Außerdem musste man wirklich vorsichtig sein – zumindest als unerfahrener Trailläufer. Die Rutschgefahr war nicht zu unterschätzen.
Richtung Ziel
Als sich nach ein wenig Sonnenschein auch noch ordentlicher Regen hinzugesellt hat und mir trotz der Anstrengung ein bisschen kalt wurde, war ich überaus froh, als irgendwann die 20er-Marke geknackt war und wir dann den Wald verlassen haben, um die letzten zwei Kilometer auf asphaltierten Wegen Richtung Ziel zu laufen. Was für ein Glücksgefühl!
Plötzlich ging alles ganz schnell und der Platinman war geschafft. Ab ins warme Zelt, mit heißem Zitronentee und Schmalzschnittchen. Dann flott zum Auto, raus aus den nassen Klamotten. Leider habe ich nach dem Zieleinlauf vom Zelt auf dem Weg zum Parkplatz nebenan einen meiner geliebten ASICS-Handschuhe verloren. Hat ihn zufällig jemand gefunden?
Ein bisschen Schwund ist wohl immer. Aber ich bin angekommen, mit beiden Schuhen an den Füßen und einem breiten Lächeln im Gesicht.
Meine Urkunde
Ich bin sogar 4. von zehn Frauen in meiner Altersklasse geworden. Wenn da mal kein Trailpotenzial versteckt ist. Vielleicht gehe ich das nächste Mal aber besser mit etwas gezieltem Training an die Sache heran. Ich schaue einfach schon mal nach schönen Trainingsstrecken in der Umgebung. Winter, du kannst kommen. Jetzt muss ich nur noch irgendwie meine Schuhe sauber kriegen…
Mein Muskelkater
Mittlerweile hat sich mein Muskelkater übrigens über die Waden in Richtung Hintern ausgeweitet, der dritte Kaffee war köstlich und ich laufe heute den ganzen Tag mit meiner tollen Holz-Medaille herum. Und jeder, der gerne an Wettkämpfen teilnimmt weiß: der Tag danach ist der potenzielle Anmeldetag für neue Veranstaltungen… Für den Siebengebirgs-Halbmarathon am 10.Dezember bin ich schon angemeldet und ich verlose noch einen Startplatz auf ahornzeit.de. Für die Porzer Winterlaufserie ab Januar auch. Aber es lässt sich doch bestimmt noch was Schickes finden. Oder? Vorschläge?
Platinman 2018
Nächstes Jahr findet der Platinman übrigens am 11.11. statt. Wer also ganz jeck ist, kann sich den Termin schon mal vormerken. Auf zum Platinman 2018. Vorher könnt ihr euch noch auf der Facebook-Seite der Veranstaltung umschauen – mit noch mehr Fotos von der Strecke, von den SiegerInnen (Ergebnislisten hier) und mit allen Infos zum nächsten Lauf. Go Platin, (wo)men!