Nationalpark Los Glaciares – Gletscher in Argentinien

Anita Horn Featured, Sport & Fun

Gletscher in Argentinien? Eisriesen mitten in Lateinamerika? Aber ja! Von Mexiko in Zentralamerika bis an die 8500 Kilometer entfernte Spitze Südamerikas rund um Feuerland und Patagonien gibt es zahlreiche Gletscher in Lateinamerika. Sogar in den tropischen Anden Perus und Boliviens findet man Gletscher.

Gletscher von Nord nach Süd

Sie liegen oft auf oder zwischen hoch gelegenen Bergspitzen, wo die richtigen thermischen Bedingungen herrschen und ausreichend Niederschlag fällt. In tieferen Lagen ist es also tropisch heiß, während man in einigen Regionen eisige Temperaturen und ein Hauch Antarktis verspürt. Vor allem im südlichen Gebiet der Anden, wo Chile und Argentinien aufeinander treffen, zeigen sich die Eisriesen in geballter Form.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Südpatagonisches Eisfeld

Das dortige südpatagonische Eisfeld ist das größte zusammenhängende kontinentale Eisgebiet außerhalb der Antarktis und lockt deshalb viele Touristen aus aller Welt an. So wie meinen Freund und mich.

Rucksackreise durch Patagonien

Manfred und ich waren im November 2016 vier Wochen mit dem Rucksack in Argentinien. Von Buenos Aires ging es mit einem Zwischenstopp in Puerto Pirámides auf der Halbinsel Valdés mit dem Bus nach El Calafate, dem Ausgangspunkt für die meisten Gletschertouren der Region.

 

El Calafate

Der Ort liegt am Lago Argentino, dem größten See Südamerikas, der von mehreren Gletschern gespeist wird. Von diesem Ort aus ist es keine Stunde Autofahrt Richtung Westen, um den wohl berühmtesten aller argentinischen Gletscher zu besuchen, den Perito Moreno.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Der Gletscher gehört zum südlichen Teil des Nationalparks Los Glaciares, der seit 1982 zum UNESCO Welterbe gehört.

Nationalpark Los Glaciares

Nationalpark Los Glaciares

Am südlichen Parkeingang entrichtet jeder Besucher einen Tagesbetrag von 330 Pesos (ca. 20 Euro). Dann geht es in Eigenregie oder mit einem Guide zur Aussichtsplattform des Perito Moreno.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Aus sicherer Entfernung kann man die fast zwei Kilometer lange Gletscherkante betrachten. Der Riese rückt jeden Tag etwa zwei Meter weiter nach vorne, so dass auch täglich kleinere Eisabbrüche zu beobachten sind. Zuerst kracht es meist unsichtbar wie bei einem entfernten Gewitter, dann beginnt das Eis zu brechen und sürzt mit einem ohrenbetäubenden Geräusch in den See.

Geräusch vom Gletscherabbruch

Eis-Spektakel

Alle vier Jahre wird dieses Naturschauspiel zu einem Touristenmagneten der besonderen Art. Denn dann ist die Gletscherzunge so weit vorgerückt, dass sie auf das gegenüberliegende Land trifft und sich dort auftürmt. So wird der Gletschersee abgeschnitten und die westliche Hälfte staut sich auf.

Der Durchbruch

Irgendwann wird der Druck des Wassers so groß, dass erst ein natürlicher Tunnel ins Eis gegraben wird und dann dieser Eistunnel irgendwann zusammenbricht – ein unglaubliches Spektakel.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Einige Eisberge schwimmen dann im See herum und machen die Bootsfahrt zum Gletscherfuß zu einem echten Abenteuer. Denn einen Großteil des Eises sieht man gar nicht. Etwa 85 Prozent der Masse liegen unter Wasser. Unser Weg zum nächsten Highlight war dementsprechend langsam – wir sind für die Big Ice Tour auf die Westseite des Gletschers gefahren, um ihn zu begehen.

Big Ice Trekkingtour

Gletscher (c) Manfred Puppe

Gletscher (c) Manfred Puppe

Am Base Camp wird man mit Steigeisen ausgestattet, dann geht es am äußersten Rand des Gletschers entlang der Trampelpfade in den angrenzenden Bergen – ohne Eis – etwas tiefer in die Gletscherregion hinein. Dabei geht es stetig bergauf, dem Verlauf der Gletscherzunge entgegen. Eine sportliche Grundkondition und Kälteresistenz sind also Grundvoraussetzung für diesen Ausflug.

Gletscher (c) Anita Horn

Und dann bahnt man sich mit schweren Steigeisen unter den Schuhen und dick eingepackt, mit einem Sicherungstrapez um die Hüfte, seinen Weg über die Gletscherspalten, Schneespitzen und Eisflüsse.

 Gletscher (c) Manfred Puppe

Gletscherspalten

Die Guides sichern gefährliche Stellen immer ab oder halten die Trekker beim Überqueren der Spalten gut fest. Oft sind die Risse auch zu klein, um reinfallen zu können. Aber ab und zu mussten wir auch Kehrt machen oder einen mutigen Sprung über den Riss wagen, um auf die andere Seite zu kommen. Nach etwa drei Stunden Wanderung haben wir dann das Paradies entdeckt: eine kristallblaue Lagune.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Tour-Guide Fernando hat erklärt, wieso es Wasser mitten im Eis gibt.

Touristen-Guide Fernando „Es una zona deprimida, las temperaturas nos on tan bajas, por eso hay agua en el glaciar. Debajo de nuestros pies hay 510 metros de hielo.“

Fernando erklärt, dass der Gletscher nicht so weit über Meeresniveau liegt. Das heißt es ist nicht so sonderlich kalt. Das Eis an der Oberfläche schmilzt an und bildet in den Senken Lagunen.

Über 500 Meter Eis

Das bedeutet für einen Gletscher aber nicht zwingend, dass er schmilzt, erklärt unsere Tourführerin Luli. Oberflächenschmelze ist ganz normal und unter uns waren noch über 510 Meter pures Eis, die nicht mal eben so verschwinden. Der Perito Moreno ist sogar einer der wenigen Gletscher weltweit, der seine Größe erhält, weil er immer wieder neue Eismasse hinzugewinnt.

Gletscher (c) Manfred Puppe

An der Oberfläche können sich Staub, Sedimente und natürlicher Schmutz ansammeln, aber meist glänzt der Gletscher in strahlendem Weiß und Blau. Und was von Weitem aussieht wie Zuckerwatte, ist in Wirklichkeit tonnenweise Crushed Ice, das sogar sprechen kann.

Geräusch aus den Tiefen der Gletscherspalte

Gletscher (c) Manfred Puppe

Eine Unterwasserkamera zeigt die Schönheit des Eises und die skurrilen Formen der Natur.

Gletscher (c) Anita Horn

Wem zu kalt wird, der kann zwischendurch auch ein wenig schneller laufen und sich so wieder aufwärmen…

Gletscher (c) Manfred Puppe

… oder einfach ein bisschen hüpfen…

Gletscher (c) Manfred Puppe

Die Kosten für die Big Ice Tour liegen bei 3300 Pesos (ca. 200 Euro) pro Person. Kleinere, kürzere Touren sind günstiger. Voranmeldungen sind im Büro von Hielo y Aventura in El Calafate unbedingt zu empfehlen, da die Teilnehmerzahl begrenzt ist. Es gibt aber auch noch viele weitere Touranbieter in der Stadt, die zwar keine Ausflüge auf den Perito Moreno aber rund herum ermöglichen.

 

El Chaltén

Von El Calafate kann man mit dem eigenen Auto oder mit öffentlichen Bussen weiterfahren bis nach El Chaltén. Die Fahrt dauert etwa drei Stunden, da es oft sehr windig ist und man behutsam sein Lenkrad festhalten sollte. El Chaltén liegt nicht nur in der Nähe des nördlichen Nationalparks Los Glaciares, sondern mitten drin.

Hier passiert man erst den Nationalpark-Eingang und wird herzlich Wilkommen geheißen. Dann gibt einige Anweisungen im Nationalparkbüro sowie Routen-Erklärungen und dann geht es in den kleinen Ort, der vor allem vom Tourismus lebt.

Laguna Los Tres

Von hier aus kann man zig Wanderrouten auf eigene Faust unternehmen. Die meisten sind 10–20 Kilometer lang.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Richtig toll fand ich den Trek zur Lagune „Los Tres“ mit 1000 Höhenmetern, verteilt fast nur auf die letzten 500 Meter der Strecke. Von oben hat man einen tollen Blick auf einen Gletschersee und den Fitz Roy – den bekanntesten Gipfel der Region, wenn das Wetter denn einen Blick darauf zulässt.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Wir hatten großes Glück und den blauesten Himmel, den wir nur haben konnten.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Für den Fitz Roy haben Juan und Isabel vor dreieinhalb Jahren Buenos Aires verlassen. Die beiden leben und arbeiten in der Eco-Lodge „Laguna Condór„, wo man in kleinen urigen Holzhütten mit Ausblick auf einen wunderschönen Gletscherfluss hat.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Gletscher (c) Manfred Puppe

Gletscher (c) Manfred Puppe

Die zwei lieben den Anblick des Massivs und fühlen sich dann immer ganz klein. Sie mögen das Leben so nah an der Natur.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Juan & Isabel „No te cansa verlo, es increible. Hace tres años que trabajamos aqui en la Patagonia. Vivir aqui es una experience unica. Es fuerte el clima. Y te sientes como una miniatura.“

In Patagonien zu leben bedeutet zwar mit einem extremen Klima leben zu müssen, aber das ist für die beiden Argentinier eine einzigartige Erfahrung.

Wandern im Nationalpark Los Glaciares

In Patagonien ist von November bis April Frühling und Sommer. Wer das echte Eisabenteuer erleben möchte und Gletscherhöhlen entdecken will, sollte im argentinischen Winter zwischen Mai und Oktober dorthin reisen. Aber auch der Frühling hat seine Vorzüge. Vor allem zum Anfang der Saison, Anfang November, ist es noch nicht so überfüllt und man hat die wunderschönen Wanderwege fast für sich alleine.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Man überquert Holzbrücken, durchquert unwirkliche Waldlandschaften…

Gletscher (c) Manfred Puppe

… und trinkt das frischeste Wasser der Welt aus den Gletscherwasserfällen und den Bergflüssen.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Immer wieder erhascht man außerdem Blicke auf andere Gletscher, wie hier dem Glaciar Blanco.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Von der Eco-Lodge bietet sich eine Radtour zum Lago de Desierto an – etwa 15 Kilometer hin und 15 wieder zurück. Im Winter ist der See oft komplett zugefroren und bietet ein zauberhaftes Bild. Im Sommer kann man am Steinstrand die Zeit vergessen und einfach mal nichts tun. Oder auch mal barfuß in den See gehen – eine interessante bis schmerzhafte, aber lustige Erfahrung.

Collage (c) Manfred Puppe

Ausflüge von El Chaltén

Mit dem Bus kommt man innerhalb einer halben Stunde zum Lago Viedma. Der See hat seinen Namen vom angrenzenden Gletscher Viedma, auf dem man ebenfalls wandern kann – allerdings müssen auch hier die Wetterbedingungen stimmen.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Der See ist allerdings tückisch, denn die Bucht liegt windgeschützt hinter einem großen Felsenzug – biegt man dahinter auf den offenen See Richtung Gletscher ab, peitscht der Wind hohe Wellen auf, die das Boot zum Hüpfen und so manch einen Mitfahrer zum Leiden bringen. Übelkeit ist noch das kleinste Übel.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Der Kapitän und die Guides von Patagonia Aventura haben auf jeden Fall einen harten Job: Navigieren, die Gäste behüten… In unserem Fall war der Himmel zwar blau, aber der Wind so stark, dass wir vor dem Gletscher drehen und den Rückweg antreten mussten. Denn je später die Rückfahrt gewesen wäre, desto windiger und damit riskanter. Leider hat diese Gletscherwanderung somit nicht geklappt, aber das ist nun einmal Patagonien – unberechenbar und eigen.

Gletscher (c) Manfred Puppe

Zurück in El Chalten kann man bei so starkem Wind vor allem eines tun: relaxen. In einem der Cafés und Restaurants oder am Kamin in der Unterkunft. Wir waren in der Hosteria El Puma – rustikal und mit wahnsinnig gemütlichen Betten. Es gibt in El Chalten aber noch zahlreiche andere Unterkünfte, Hostels, Estancias und private AirBnB-Zimmer. So wie das von Nehuen und Lula in El Calafate, wo es für uns nach drei Tagen in El Chalten wieder hin ging.

Museum Glaciarium

Auf halber Strecke haben wir noch einen Stopp im Glaciarium eingelegt, einem Museum über Gletscher mit tollen Erlebniswelten und interaktiven Räumen.

 

Torres del Paine in Chile

Vom Nationalpark Los Glaciares aus kann man über die chilenische Seite und den Nationalpark Torres del Paine mit einem Stopp am Gletscher Grey für noch mehr Eiserlebnisse sorgen. Auch hier geht es mit einem Boot über den Gletschersee bis zur Abbruchkante, die in verschiedensten Blau- und Weißtönen schimmert.

Gletscher (c) Anita Horn

Gletscher (c) Anita Horn

Das tiefe Blau kommt durch die starke Kompression zustande. Darin ist quasi keine Luft mehr eingeschlossen. Je nach Sonneneinstrahlung blendet das Eis regelrecht den Betrachter. Mit an Bord war Reiseleiter Erick Hechtenleiter, Chilene mit deutschen Wurzeln, der lächelnd seine Theorie erklärt:

Touristen-Guide Erick „Im Eis leben Millionen Mikro-Organismen und wenn du sie ansiehst, dann öffnen sie ihre Augen und gucken dich mit ihren blauen Augen an.“

Der Gletscher Grey ist 264 Quadratkilometer groß, etwa 45 Kilometer lang und sieben Kilometer breit. Er ist mindestens 15.000 Jahre alt und schmilzt von Jahr zu Jahr ein Stück mehr. Dadurch bildet sich eine Art Wasserinsel um den Gletscher herum, also ein See, der auf Inuit „Nunataq“ heißt. Gemeint ist der eisfreie Boden.

 

Nationalpark Tierra del Fuego

Von Los Glaciares oder Torres del Paine kann man weiter gen Süden nach Feuerland reisen, dort gibt es in der Nähe von Ushuaia den Nationalpark Tierra del Fuego und den Gletscher Martial. Weitere 1000 Kilometer Richtung Süden folgt dann das wohl berühmteste Eiswelt auf Erden: die Antarktis. Dort möchte ich unbedingt mal hin.

Fotos (c) Manfred Puppe / (c) Anita Horn