Laufen bei Wind ist zu anstrengend? Bei starkem Wind kann man nicht mehr richtig atmen? Flatternde Klamotten machen automatisch langsamer? Wenn die Augen tränen kann man seine Strecke nicht mehr sehen? Das mag alles sein – aber man kann den Wind auch als taffen Trainingspartner nutzen. Man muss nur die richtigen Tricks kennen. Einige davon gibt es von mir aktuell in der RUNNING. Und hier geht es noch ein bisschen tiefer für alle die, die ihre Trainingssteuerung nach dem himmlischen Kind ausrichten möchten – mit Tipps von Patrick Loos aus Bochum im Interview.
Patrick Loos hat Sportmanagement an der Ruhr Univeristät Bochum studiert, im Hauptstudium unter anderem die Schwerpunkte Leistungsdiagnostik und Sportpsychologie belegt und führt heute als Projektmanagement-Bereichsleiter eines Verlags nebenbei einen eigenen Blog namens laufschritte.de, denn er ist leidenschaftlicher Läufer, Ausdauersportler und ein großer Naturfreund.
Was bedeutet Wind für einen Läufer (im Training/ im Wettkampf) und für seine Geschwindigkeit?
Bei Windstille und langsamen Laufgeschwindigkeiten (> 5:00 min/km) ist die benötigte Energie zur Überwindung des Luftwiderstandes zu vernachlässigen, sie liegt im Bereich von zwei Prozent. Bei Mittelstreckenrennen nimmt der Anteil etwa sieben Prozent ein und wird damit bedeutsam. Bei steigender Anströmungsgeschwindigkeit (Gegenwind) und Laufgeschwindigkeit steigt die Strömungswiderstandskraft im Quadrat. Dafür gibt es eine Formel. v ist somit der gewichtigste Faktor. Die Stirnfläche lässt sich durch Körperhaltung und Laufkleidung verkleinern. “Breite” Menschen haben es auch hier per se “schwerer”.
Verändert sich sein Bewegungsmuster/ seine Körperhaltung? Sollte man sich „kleinmachen“?
Bei stürmischen Bedingungen tendiert man dazu sich in den Wind zu legen, schlicht zur Wahrung des Gleichgewichts und der Laufeffizienz. Aktives, leichtes Nachvornebeugen wird die Strömungswiderstandskraft zwar nicht entscheidend verkleinern, sichert jedoch die biomechansiche Effizienz. Der unbedarfte Läufer steuert das intuitiv schon ganz gut aus. Aus diesem Grund rate ich vom künstlichen Kleinmachen ab (z.B. leicht in Knie gehen und/oder extremes Nachvornebeugen), die energetischen Kosten dafür sind höher als der Gewinn durch eine verkleinerte Stirnfläche. Ferner wird man eine solche künstliche Postion nicht dauerhaft durchhalten können (lokale Muskelermüdung). Weitere Beleg: ich habe noch keinen Profiläufer in verstellter Laufhaltung beobachtet und gerade jene würden davon überproportional profitieren.
Wieviel Kraft verliert man durch Gegenwind (Zahlen?!)
Es wurde unter Laborbedingungen nachgewiesen, dass der O2-Bedarf (der mit dem Energiebedarf hoch korreliert), eines 65 kg leichten Läufers, bei einer Pace von 3:45/km und Windstille, in etwa 3 l/min beträgt. Bei einem stürmischen Gegenwind von 18,5 m/s (66 km/h), also Windstärke 8, erhöht sich der Bedarf auf 5 l/min – das entspricht einem erhöhten O2-Bedarf von 66 Prozent (bei geringeren Laufgeschwindigkeiten wird der Anstieg kleiner ausfallen). Für einen 37 bis 38-Minuten-Läufer (auf 10 km) ist das ein schon ein erheblicher Mehrbedarf.
Wieviel Kraft kann man sich bei bestimmten Abständen zu Vordermännern sparen, Stichwort „Windschatten“?
In einer Studie wurde unter gegebenen Bedingungen der Windschatteneffekt gemessen, indem zwei Läufer mit einem Meter Abstand hintereinander liefen. Bei einer Windgeschwindigkeit von 36 km/h (x-Achse = 100, Windstärke 5) beträgt der O2-Bedarf in etwa 3,8 l/min. Mit Windschatten nur noch 3,3 l/min (13 Prozent geringerer O2-Bedarf). Je höher die Windgeschwindigkeit, desto überproportional größer wird der O2-Bedarf.
Kurzum: Bei Leistungsläufern ist der Windschatteneffekt von Bedeutung. Somit wird Windschattenlaufen zu einem erfolgsbestimmenden, taktischen Element. Doch welche Position ist die günstigste? 40 bis 80 cm in vertikaler Verlängerung hinter einem Laufenden wird, in dieser Studie, kaum ein Luftwiderstand ermittelt (allerdings bei sehr hohem Lauftempo von 2:46/km). Dabei wichtig: man sollte wirklich in den Windschatten vorstoßen, nur ca. 40 cm daneben steht man nahezu voll im Wind! Insbesondere bei Wind von schräg vorne sollte man die richtige Position versetzt zum Vordermann finden – das ist nicht immer einfach. Bei Bahnläufen limitiert oder verhindert oft die innere Bahnbegrenzung ein solches Vorhaben.
Wie sollte man die Strecke wählen (Distanz, Laufrichtung etc)?
Bei Pendelstrecken / Trainingslaufrunden ist ideal, wenn man auf dem Hinweg Gegenwind hat, zurück Rückenwind, denn abhängig von der Laufkleidung kühlt man am Ende eines Laufs mit schweißgetränkter Kleidung und bei Gegenwind leichter aus (ansonsten sind Windstoppertextilien ratsam). Zudem ist der mentale Effekt durch die tendenzielle Geschwindigkeitssteigerung am Ende des Laufs motivierender. Ggf. kann bei einer Laufrunde der Hinweg (Gegenwind) durch ein Waldgebiet geführt werden (= Windschutz, aber Achtung: ggf. Äste von oben), der Rückweg kann dann ungeschützt verlaufen. Die geographischen Gegebenheiten können somit auch einen Einfluss auf die gewählte Streckenlänge haben.
Grundsätzlich gilt: Je länger der Lauf, desto geringer die durchschnittliche Laufgeschwindigkeit, desto geringer der relative Energieverlust durch Gegenwind. Je leistungsstärker der Läufer und je schwieriger die Bedingungen, desto höher wird der Stellenwert eines klugen Windschattenlaufens (als taktisches Element). Ohne diesen Effekt wären Radrennen mit höheren Geschwindigkeiten wie wir sie heute taktisch erleben nicht denkbar.
Mehr von Patrick Loos zu diesem und vielen weiteren Laufthemen gibt es auf seinem Blog laufschritte.de.