Dank Verletzung auf dem Treppchen

Anita Horn Mein Triathlon, Slider

Meine erste Mitteldistanz-Staffel

Dieser Bänderriss hat mich um den Verstand gebracht. Ende April bin ich an einem Strand in Sizilien in einem Loch hängen geblieben und gestürzt. Von da an hieß es Schwimmen nur mit Poolbuoy ohne Beine, Rad nur locker ohne Klicks, Lauftraining verboten. Und das wenige Wochen vor meinem ersten Wettkampf des Jahres: der Ironman 70.3 Kraichgau. Ich wusste, der Fuß kann bis dahin wieder heile werden. Aber mein Knie wurde auch in Mitleidenschaft gezogen und so war eine Woche vor dem Rennen klar: eine Mitteldistanz alleine zu finishen wird vollkommen unmöglich.

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Also habe ich in meinem Verein nach Staffel-Teilnehmern gesucht, um mich kurzfristig umzumelden – und bin kurz vor knapp fündig geworden. Zwei Rookie-Mädels, fast ohne Wettkampferfahrung, aber sehr spontan und sehr gut drauf – vor allem in ihrer jeweiligen Lieblingsdisziplin. Unsere Staffel war geboren. Am Abreise-Samstag Richtung Kraichgau habe ich unsere Läuferin Yvonne dann persönlich kennengelernt und Anita No.II als Staffel-Schwimmerin das erste Mal seit dem Trainingscamp auf Lanzarote wiedergesehen. Unser Plan war: Spaß haben, finishen, ohne Zielzeiten und vor allem ohne Schmerzen in Fuß oder Knie.

Nichts für Dummies

Das Wetter sah nicht sehr vielversprechend aus. Starkregen und Gewitter prägten jede Vorhersage. Also konzentrierten wir uns lieber auf den Moment und kauften erstmal das Merchandise-Zelt leer.

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Dann holten unsere Startunterlagen inklusive Staffel-Time-Chip ab und rätselten ewig lange herum, welcher Beutel wie denn eigentlich für wen und wo ist, wann wer etwa in die Wechselzone kommen würde und wie wir das Rennen logistisch mit Auto, Shuttle und zu Fuß, mit Schlüsselübergaben für zwei verschiedene Hotels und drei verschiedenen After-Race-Klamotten angehen könnten. Und eins steht fest: Die Triathlon-Staffel ist nichts für Dummies. Es ist schon eine echte Herausforderung, alles vernünftig zu organisieren und deutlich schwieriger, als einen Triathlon am Stück zu absolvieren. Nur sportlich gesehen ist die Staffel natürlich einfacher. Wobei – die Aufregung bleibt irgendwie die gleiche. Das Wetter war uns Sonntagmorgen gesonnen. Ich war zwar froh, dass ich nicht ins Wasser musste, aber als Anita II ihren Neo anzog und sich verabschiedete, war ich nicht minder nervös. Dann fiel der Startschuss und ich wusste, dass in 35-45 Minuten mein Part folgen würde. Würde es trocken bleiben? Würde mir mein Rad einen Streich spielen? Denn vor dem Einchecken in die Wechselzone musste ich feststellen, dass meine Kette im höchsten Gang schleift – vermutlich durch das ewige Transportieren von Zuhause zum Hotel, zum Probefahren und zum Einchecken. Also ab zum Radmechaniker-Zelt und bitte reparieren. Zu allem Überfluss sagte der Retter in der Not mir dann, dass mein Steuersatz total locker wäre. Festgezogen, Gänge gecheckt. Und dann stand das Rad da und wartete auf seinen Einsatz. Mit frisch aufgezogenen Mänteln, weil mir zwei Tage vorher aufgefallen ist, dass ich kaum noch Profil auf dem Reifen habe. Solche Experimente soll man eigentlich nicht machen. Nicht nur, weil sie nicht unbedingt zur besten Beruhigung beitragen.

Wie bei Pacman

Ich habe bisher drei Mitteldistanzen gemacht und gefinisht. Dabei habe ich gelernt, meine Kräfte einzuteilen. Sie so abzupassen, dass es für alle drei Disziplinen reicht. In einer Staffel hat man nur eine Disziplin. Theoretisch leichter als drei am Stück. Aber weil man gerade deshalb Vollgas gibt, ist es irgendwie doch nicht „nur“ eine Staffel, sondern ein harter Wettkampf. Ich stand in der Staffel-Wechselzone und dann kam Anita II um die Ecke geschossen. 00:39:32. Genial. Der Tausch des Chips gestaltete sich etwas schwierig, aber dann konnte ich zu meinem Rad und loslegen. Am Rand standen mein Freund und unsere Läuferin Yvonne. Noch ein Jubel und dann war ich auf der Strecke. Trockene Straße, Sonne pur und schwere Beine. So ein Kaltstart ist nicht ohne. Deshalb habe ich mir gesagt: mach locker. Es geht um nichts. Fahr dich erst ein und bleib unverletzt. Nach fünf Minuten fühlte ich mich dann aber gut genug, um ordentlich in die Pedale zu treten – im Land der 1000 Hügel.

Erst ging es entspannt bis wellig zu, dann wurden die Hügel immer höher und länger. Aber ich konnte schon am Anfang einige Staffel-Konkurrenten und Einzelkämpfer einsacken. Die Schaltung funktionierte auch. Knie und Fuß gaben Ruhe. Wunderbar. Ich fand schnell ein konstantes Tempo und fuhr die Steigungen wie beim 70.3 in Luxemburg mit meinem Mantra „konstant und entspannt“ hoch. Meine Überholer habe ich meist auf den Plateaus wieder hinter mir lassen können. Nach einer Stunde hatte ich rund 30 Kilometer auf dem Tacho und schon einen großen Batzen Höhenmeter hinter mir – einmal sogar mit einer Steigung von etwa 14 Prozent, mitten in einem Ort. Vielleicht könnte ich trotz des wenigen Trainings wie in Luxemburg unter drei Stunden bleiben? Also volle Kraft voraus. Der nächste Hügel. Verschaltet.

Biking

Staffel = Freude*3

Wir schraubten uns langsam hinauf. Die Beine waren mittlerweile recht schwer. Aber der Kopf wurde zur Peitsche und Tatsache, ich hörte schon den Moderator über Lautsprecher, das Publikum verdichtete sich und nach der nächsten Kurve kam der Dismount-Punkt. Absteigen, loslaufen. Das Rad wurde mir von einem Helfer abgenommen. Was für ein Luxus – das war mir neu. Also nur noch laufen. Oder eher gesagt fliegen. 02:53:04 – und damit viertschnellste Staffel-Fahrerin. Noch fix die Chip-Übergabe mit unserer Läuferin Yvonne und dann hieß es warten und ins Ziel einlaufen. Nach 01:43:27 sammelte sie uns total beflügelt nach ihrem ersten Halbmarathon überhaupt ein und Hand in Hand liefen wir über den Ironman-Teppich ins Ziel. Nach einer Gesamtzeit von 05:19:11 fielen wir uns in die Arme. Diese Medaillen! Dieses Gefühl! Dreimal toller, als alleine anzukommen.

Ironman 70.3 Kraichgau Finish

Als dann auch noch klar wurde, dass wir damit den zweiten Staffelplatz bei den Damen machten, war unser Freudentaumel perfekt. Nie zusammen trainiert, nicht einmal wirklich gekannt und dann standen wir auf der Bühne. Siegerehrung. Dreimal Blumen und ein Pokal.

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Ich bin so froh, dass mich mein Bänderriss zu meiner ersten Staffel gebracht hat – und es war nicht meine letzte. Am 17.Juli starte ich zusammen mit meinen Freundinnen Simone und Nadja auf unserer ersten Langdistanz-Staffel. Seid ihr bereit für die Challenge Roth, Mädels? Ich bin es!