Brücke im Stand geht. Gehen in der Brücke nicht.

Olympischer Test – Teil V Turnen

Anita Horn Sport & Fun

Von wegen Gymnastik ist Frauensache. Von Anfang an ist Turnen Teil der olympischen Spiele. 1896 haben die Männer in Athen schon die ersten Wettkämpfe ausgetragen – erst 32 Jahre später 1928 in Amsterdam sind die Disziplinen der Damen dazu gekommen. Und ich als echte Dame wollte auch mal wissen, wie man so richtig turnt und ob man eine Chance hat in kürzester Zeit olympiafit zu werden. Also ab zum Leistungsstützpunkt vieler Turner in NRW, zum Rheinischen Turnerbund in Bergisch-Gladbach, und go! Ob ich in Rio 2016 dabei bin?

Brücke im Stand geht. Gehen in der Brücke nicht.

Wenn´s nach Turnvater Jahn ginge vielleicht! Der „Begründer des Turnens“ hat gesagt, dass auch Wandern, Volkstanz und Singen zum Turnen gehören. Leider ist diese Meinung schon 200 Jahre alt. Heute hat man es schwerer. Jetzt gehören unter anderem das Stufenreck bei den Frauen, das Pauschenpferd bei den Männern und das Bodenturnen zum olympischen Turnen. Alles Sache, bei denen die Schwelle doch erstmal hoch ist. Bei den Männern sind es insgesamt sechs Geräte, bei den Frauen vier – aber bevor ich mich daran versuchen durfte, gab´s erstmal ein deftiges Aufwärmprogramm mit Ballettelementen und Trampolin.

Handstand mit Hilfe klappt auch.

Und dann musste ich zeigen, ob ich die zwei wichtigsten Turn-Grundübungen beherrsche: Handstand und Brücke. Beide Elemente sind z.B. wichtig für einen Salto beim Bodenturnen, für den Sprungtisch und für den Barren. Überprüft hat das Vitaly aus Littauen. Er war schon Europameister am Seitpferd und hat als Trainer mit seiner Mannschaft bei den olympischen Spielen in Athen Silber geholt – und für mich war er Trainer an diesem Tag. Ich war also in echten Profihänden.

In Profihänden bei Vitaly

„Du sollst auch in der Brücke gehen können auf einer engen Linie, du gehst dann vorwärts, rückwärts, komm ich helfe ich. Hoch, und jetzt gehen, mit den Händen, langsam bewegen, und jetzt versuch wieder nach vorne. Und jetzt stell dir das vor im Springen.“

Und das war angeblich noch das Leichteste. Die Geräte kommen ja noch dazu!

Das Kampfgericht

Es gibt mehrere Kampfrichter pro Turnstation. Zwei für die Schwierigkeit und fünf, die auf die Ausführung achten, z.B. wie sauber war die Landung nach Flick Flac. Die Berechnungen sind ganz unterschiedlich und wirken etwas kompliziert: am Boden hat jedes Element z.B. unterschiedlich viele Punkte, Fehler werden mit Abzug geahndet.

Am Stufenbarren werden Mittelwerte der Einzelnoten errechnet und mit der Bestnote addiert. Ein riesen Regelkatalog, festgelegt vom Weltturnverband FIG. Der Stufenbarren ist zum Beispiel auf 2,46 Meter Höhe festgelegt. Da bin ich nur mit Vitalys Hilfe an den oberen Holm gekommen. Alleine das Halten und Schwingen war schon schwer, ich habe gefühlt immer längere Arme bekommen. Und dann sollte ich auch noch umgreifen und beim Schwungholen kurz loslassen und wieder zufassen.

Ha! Bei den olympischen Spielen fliegen die Turnerinnen ja zwischen den 1,60m entfernten Holmen hin und her, als gäb´s nichts leichteres.

Baumeln wie ein Affe.

„Alleine sich da oben an diesem Reck zu drehen und die Richtung zu ändern ist schon anstrengend. Meine Hände sehen aus. Hui, also Handschuhe sind angebracht, weil man sich sonst permanent die Haut wegschrabbt.“

Echte Turner turnen eben auch mit Riemchen und Magnesia. Beim nächsten Mal mache ich das auch, dann falle ich vielleicht nicht so schnell in die Schnitzelgrube, also die blauen Schaumstoffknubbel. Alleine dort rauszukrabbeln ist sportlich anspruchsvoll.

Ich wollte aber noch nicht aufgeben und habe den Barren und den Sprungtisch ausprobiert. Da geht´s mit 25 Meter Anlauf über den Tisch – damals dem Bock – auf die Matte dahinter. Als Profi natürlich mit Salti und anderen spektakulären Flugelementen, bei mir ohne Salto.

Voll Bock aber auch voll schwer.

Über 1,35 Metert sollte das ein Handstützüberschlag werden. Aber es war eher ein Hocksprung mit Ladung auf dem Tisch. Ein Sprung dauert übrigens nur zwei Sekunden. Einer der schwierigsten Sprünge ist der „Jurtschenko“, da dreht der Turner sich schon beim Absprung, macht einen Flickflack über den Tisch und anschließend eine Doppelschraube.

Ich habe viel gelernt an diesem Turntag. Man muss schon im Kindesalter mit dem Training beginnen. Und außerdem ist Leistungsturnen ein Fulltimejob. 30 Stunden Training an sechs Tagen sind Minimum.

Nach fünf olympischen Tests ein Fazit

Ich habe also fünf olympische Sportarten ausprobiert. Ob ich in einer davon wirklich fit für Rio 2016 werden könnte? Im Hockey und Radrennen würd´s vielleicht für eine Landesliga reichen und im Kite-Race und Bogenschießen könnte ich es vielleicht zumindest in eine Vorrunde schaffen. Aber das wäre alles härteste Arbeit. Sagen wir mal so: Ich werde in vier Jahren garantiert nach Rio fliegen, aber wohl eher als Zuschauerin. Oder Reporterin. Aber leider nicht als Sportlerin.