Oh man! Ich bin komplett verschwitzt! Was für eine Nacht und was für bescheuerte Alpträume! Ich bin völlig fertig, fast so als hätte ich heute Nacht schon den Marathon hinter mich gebracht.

Cafe del Mar auf Juist
Dabei habe ich gestern Abend doch nur ein alkoholfreies Flens in unserer Stammkneipe hier getrunken und mich tagsüber schön ausgetobt. So eine Action im Dunkeln hätte echt nicht mehr sein müssen. Ich war erst in Los Angeles. Da ging ein richtig steiler Abhang runter zum Meer. Man durfte nicht zu weit runter laufen, weil die Wellen immer recht hoch aufgeschlagen sind. Auf der Höhe, wo man gut das Meer beobachten konnte, war ein Brückenpfeiler und eine abgeranzte Brücke, da haben sich die meisten Leute niedergelassen und relaxt. Aber mit einem Mal ist das Wasser zurück gegangen, es war kaum noch zu sehen, und dann kam das, was keiner erleben will. Ein Tsunami. Wir haben noch schnell versucht uns hinter die Brücke zu retten, damit wir darunter nicht vom Wasser zerquetscht werden. Dann kam die Welle und nahm uns mit. Als ich wieder zu Bewusstsein gekommen bin, stand ich in einem großen, weißen Raum. Darin war ein Teil meiner Familie, dort standen meine Laufschuhe und auf einem Tisch lagen Stirnbänder, Laufpullis, meine Startnummer und mein Handy. Ich habe mich also umgezogen. Auf meiner Armbanduhr war es morgens, kurz nach neun. Dann konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich den Pulli mit Stirnband, nur ein Shirt mit Mütze oder ganz was anderes anziehe. Dann habe ich meine Laufschuhe nicht gefunden. Dann bin ich raus zu meinen Leuten, diesich alle total schick gemacht haben, in Ballkleidern da standen und meinten, wir erwarten dich dann im Ziel. Und als ich fragte, wie spät es sei, meinten sie, elf Uhr. In einer halben Stunde sollte also schon der Startschuss fallen und ich wusste nicht einmal wo genau ich bin. Ich bin in totale Panik ausgebrochen, raus auf die Straße, habe noch schnell eine Massen-Sms an meine Freunde geschickt, um ihnen zu sagen, dass wir uns in 30 Minuten in Köln Deutz am Startpunkt, am Bahnhof treffen, und dann wollte ich lossprinten, aber ich bin nicht von der Stelle gekommen. Wie mit Kaugummi unter den Schuhen stand ich auf der Stelle, habe meine gesamte Energie verfeuert und kam einfach nicht weg. Ich würde den Marathon verpassen, nur weil ich nicht gut genug vorbereitet war und rechtzeitig mit allem angefangen habe. Ich wollte gerade anfangen wie am Spieß zu heulen, da kam eine Pferdekutsche vorbei. Nur, dass dieses Traben Realität war. Bei offen stehendem Fenster kam eine Kutsche an unserem Appartment vorbei. Autos gibt es auf Juist ja nicht. Ich bin direkt aus dem Bett gesprungen, um wieder im Hier und Heute anzukommen. Und bin jetzt noch völlig durcheinander. Wieso träumt man so einen Mist, bitte?
Tsunami… Dabei war die Nordsee gestern spiegelglatt. Und wir waren tatsächlich darin schwimmen. Also so richtig, ein paar Bahnen ziehen. Ging auch gar nicht anders, sonst wären wir vermutlich erfroren. Keine 15 Grad Wassertemperatur und das im Bikini! Brrrr, das nenne ich Überwindung. Und weil Überwindung ja immer so eine Sache ist, bin ich einfach ohne lange nachzudenken reinmarschiert. Etwas weiter hinten, Richtung Sandbank, wurde es auch ein bisschen wärmer (soweit man von „wärmer“ überhaupt sprechen kann), aber zu lange waren wir sechs (sind hier ein richtig tolles Trüppchen) dann aber doch nicht drin. Lieber schnell raus, in Tücher einpacken und in der Sonne trocknen lassen. Herrlich.

Handstandübungen am Strand
Und damit´s ein bisschen schneller nicht nur auf der Haut, sondern auch innerlich warm wird, haben wir einfach Quatsch gemacht. Diesmal in Form von Handstand-Üben. Im Sand. Versteht sich von selbst, dass ich manchmal wie paniert aussah. Und zwar nicht extra. Aber da ich keinen Handstand kann, musste ich halt üben, üben, üben, und habe mich in zwei Etappen bestimmt 50, 60, 70 Mal vom Boden abgestoßen, wenn nicht öfter. Ab und zu war ein kleiner Überschlag dazwischen. Ab und zu habe ich auch einfach vom Handstand in den Kopfstand gewechselt und das geübt. Und irgendwann konnten weder mein rechtes Abstoßbein, noch meine Arme noch was tun.

Baywatch auf nordisch

Findus mal faul
Also sind wir ein zweites Mal ins Wasser, haben noch eine Runde mit den Hunden gespielt und sind dann Richtung Appartment. Mit einem kleinen Umweg. Ich habe nämlich tatsächlich ein gebrauchtes Mountainboard ergattert. Hier auf der Insel. Lars von der Kitestation hatte noch eins vom Beachkiten im Keller und brauchte es nicht mehr, weil Beachkiten mittlerweile verboten ist auf Juist. Gut für mich. Jetzt bin ich stolze Besitzerin eines eigenen ATB´s (All-Terrain-Baords) und freue mich, demnächst auch in Köln und nicht nur in Holland mit dem Wind zu tanzen. Allerdings erst nach dem Marathon. Eingeweiht haben wir das Board natürlich trotzdem schon hier.

Erste Probefahrt auf meinem ATB

Mein erstes ATB

Findus voll in Fahrt
Und dann haben wir den Abend perfekt ausklingen lassen.

Dünenlandschaft
Mit einem köstlichen Abendessen bei Sonnenuntergang. Erst gab es Lachs und Garnelenspieß auf Zuckerschoten, Spinat und Cherrytomaten mit frischen Pfifferlingen und danach eine riesen Pfannkuchentasche, gefüllt mit Karamelleis und dazu Schokoloadensoße und frische Früchte. Ich muss glaube ich nicht sagen, wie lecker das war!

Lachs, Garnelenspieß und Pfifferlinge

Süße Nachspeise
Die Handstand-Übungen plus das Schwimmen plus das Ballspielen mit Hündin Lia waren ein verdammt gutes Training. Ich habe heute wahnsinns Muskelkater im Schultergürtel, in den Oberarmen und im Rücken. Aber das ist morgen ja auch wieder weg. Dazu mach ich dann morgen noch einen letzten, kleinen, lockeren 4-5-Kilometerlauf, um die Beine beweglich zu halten, und dann kommen Samstag schon meine Eltern. Wir holen zusammen die Startunterlagen ab, dann schicke ich tatsächlich noch eine Massen-Sms raus (mittlerweile kündigen sich immer mehr Freundinnen und Freunde von mir zum Anfeuern und Zugucken an, voll toll!) wann wo Treffpunkt ist und dann wird es richtig ernst. Wow, da dreht sich direkt wieder mein Magen. Vor Freude! Nur noch so wenige Tage. Unvorstellbar, nach so vielen Wochen und Monaten der Vorbereitung. Ich habe mit Nadine sogar schon über nächste Woche gesprochen. Sie meinte „Nach dem Marathon können wir ja…“ und ich kann mir dieses „nach dem Marathon“ noch gar nicht vorstellen. Dann ist es plötzlich einfach vorbei? Wird dann irgendwas anders sein? Werde ich mich anders fühlen? Werde ich ein anderer Mensch sein? Wird da ein Loch entstehen, weil ich kein Ziel mehr habe? Werde ich schnell ein neues Ziel brauchen, oder freue ich mich dann, die Laufschuhe nicht mehr unbedingt schnüren zu müssen? Sind mir sechs Kilometer nach der Arbeit demnächst wieder genug, oder will ich mehr? Weiter? Schneller?
Marathon. Marathon. Marathon. Meter um Meter. Noch 3,195 Tage. Das Wetter soll ja grandios werden. Noch 3,195 Tage. 42,195 Kilometer. Marathon. Cool!