Noch 9,195 Tage

Anita Horn Mein Marathon

Wow. Nur noch neun Tage. Keine zwei Stellen mehr vor dem Komma. Da geht mein Magen kurz mal auf Tauchstation. Verrücktes Gefühl. Der große Tag naht! Und ich war gestern endlich wieder laufen.

Man, das war so schön wie Urlaub bei 35 Grad im Schatten, ein Sechser im Lotto und ein Zott-Sahne-Joghurt zusammen. Mindestens! Ich bin gestern ganz von alleine 45 Minuten vor meinem Wecker wachgeworden. Ein gutes Zeichen für´s Ausgeschlafen sein. Ich war direkt hellwach und hätte Bäume ausreißen können. Also habe ich mir gedacht, wieso nicht langsam wieder rantasten und locker laufen gehen. Erstmal gab´s aber natürlich ein kleines Frühstückchen und eine kleine Pause zum Sackenlassen. Ich bin außerdem nicht unbedingt der Frühsportler schlecht hin. Deshalb habe ich extra bis zehn Uhr gewartet. Und dann gab es kein Halten mehr.

Ich habe mir meine beinahe schon verstaubten Schuhe angezogen, mich (etwas zu) dick in eine lange Sporthose und eine langärmlige Trainingsjacke gepackt und habe mich dann erstmal ausgiebigst aufgewärmt. Ich war ja regelrecht angerostet, nach einer Woche Nichts-Tun. Also erstmal schön alle Knochen wieder aufwecken, alle Gelenke durchbewegen und mich seelisch in aller Ruhe auf meinen anstehenden Lauf vorbereiten. Mit Musik auf den Ohren habe ich vor dem Haus alles bewegt, was ich bewegen kann und mir richtig viel Zeit gelassen. Dabei habe ich ununterbrochen und höchst konzentriert mein Mantra gesprochen. „Mir wird nicht schwindelig. Mir wird nicht schwindelig“. Und dann bin ich los. Immer im Pulsbereich um die 150, wirklich eher im Trab als im Laufschritt. Bedacht, aber überaus zufrieden. Meine Beine haben ihre Arbeit mit Freude verrichtet. Wie von selbst. Ich musste gar nichts tun – außer mich sogar ein bisschen zu bremsen. Die Sonne, ein paar andere Läufer, bunte Blätter auf dem Parkboden, es war perfekt. Und wärmer als ich dachte. Durch mein winterliches Outfit habe ich trotz der geringen Geschwindigkeit geschwitzt wie verrückt. Die Leute müssen gedacht haben, ich wäre noch nie zuvor gelaufen und völlig am Ende.

Aber nein, ganz im Gegenteil. Ich habe es genossen. Ich habe mich gefühlt wie frisch aus dem Ei gepellt. Herrlich. Zwischendurch habe ich mir bildlich vorgestellt, wie ich gerade die Marathonstrecke laufe, wie am Rand hunderte Zuschauer stehen, meinen Namen rufen, der vorne an meinem Schild zu lesen ist. Ich habe trotz Schwitzen eine echte Gänsehaut bekommen und mir sind fast die Tränen in die Augen geschossen. Meine Güte, wie wird das denn dann erst sein, wenn ich wirklich auf der Strecke bin? Und wenn ich die Zielgerade erreiche? Vorausgesetzt ich schaffe es soweit. Der Schwindel macht mir nämlich doch ziemliche Sorgen. Ich werde soviel Pipi in den Augen haben, dass ich gar nicht mehr sehe, wo ich lang laufen muss. Ich muss auf jeden Fall ein paar Taschentücher mehr mitnehmen.

Habe übrigens nochmal mit meiner Mama telefoniert. Mir fallen immer mehr Details ein. Organisatorisches, das geklärt werden muss. Ich habe ihr den Auftrag gegeben, Luftballons zu kaufen. Damit ich meine Leute  besser orten kann, schon von weitem. Ich glaube ein Schild alleine (natürlich nur falllllllls ich überhaupt eins kriege…) übersieht man leicht, und außerdem hampeln wahrscheinlich ziemlich viele Leute mit ziemlich vielen Schildern da herum. Ich muss sicher gehen können, dass ich meine Eltern und Freunde erkenne. Oh je und wenn ich sie mal übersehe? Oder sie nur in der zweiten oder dritten Reihe stehen, wegen Überfüllung? Hoffentlich klappt das alles. Außerdem habe ich noch ein bisschen Traubenzucker in Bestellung gegeben, der mir zwischendurch gereicht werden kann. Ich nehme zwar auch was in meiner kleinen Laufhosentasche mit, aber Nachschub kann man ja nie genug haben.

Ich habe eben übrigens noch gelesen, dass der Magen während des Laufs nicht mehr 600 – 800 ml Flüssigkeit verkraftet. Und dass Bananen zwei Stunden Verdauungszeit brauchen, um dann wirklich Energie zu liefern.

Ich muss also von Anfang an alle Verpflegungsstände komplett ausnutzen und auch mal ein bisschen Zucker reinholen, wenn mir gerade nicht danach ist. Ach Mensch, eigentlich soll man ja immer alles vorher mal ausprobieren. Aber der Marathon wird meine Generalprobe und gleichzeitig der große Auftritt. Wird schon schief gehen. Jetzt muss ich nur noch dran denken, mir meine endlos-Playlist zu erstellen. Mein blöder mp3-Player hört nämlich nach einem Album immer automatisch auf zu spielen. Das geht so nicht. Ich mache mir einen Ordner und packe da die gesamte Musik rein, die mir über schwere Abschnitte und die etwas leichteren Etappen hinweg hilft, mich motiviert, mir gute Laune macht.

Ahhh ich freu mich!