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Anita Horn Mein Marathon

29.August
Ein bisschen hänge ich schon durch. Und nach. Mit meinen Einheiten. Der 24-Kilometer-Lauf ist weggefallen, naja er wurde durch drei Stunden kiten am Stück ersetzt. Der ganz, ganz ursprüngliche, noch nicht für die Reise leicht abgewandelte Plan, beinhaltete gestern auch meinen ersten und einzigen 30-Kilometer-Lauf. An die 30 soll man ja rantrainieren, darüber hinaus ist der Marathon eh nur noch Wille, Durchhaltevermögen und Schmerz. Heißt es. Beide langen Läufe hole ich aber in Deutschland nach. Wirklich. Ich bin für das kommende Wochenende schon fix für Teil1 verabredet. Entlang des Rheins, von Köln Richtung Bonn auf der Schäl Sick. Begleiten wird mich meine Halbmarathonkumpanin Nadine.

Auf dem Fahrrad. Sie wollte den Marathon auch erst mitlaufen. Hat aber wegen Knieschmerzen und einer falschen Arztdiagnose das Training hinschmeißen müssen – um jetzt, fünf Wochen vor dem großen Tag zu erfahren, dass sie doch laufen dürfte. Etwas spät, um mit dem Training zu beginnen. Danke, du Arztnase! Läufer und Ärzte sind eh so eine Sache für sich. Meist weiß der Läufer auch schon selbst, was er hat. Wenn er was hat. Aber zum Arzt muss man eben doch manchmal. Am besten holt man sich bei akuten Beschwerden oder Marathon-beeinflussenden Diagnosen dennoch eine zweite und so wie Nadine am besten eine dritte Meinung.

Mit dem Wissen, dass meine Knie einverstanden sind mit meinem Vorhaben und ich aus medizinisch gesehen fit bin für den Marathon (eine Kontrolluntersuchung beim Kardiologen nach meiner Herzmuskelentzündung vor zwei Jahren ergab: offizielle Entwarnung. Bindarf laufen), sage ich mir also immer wieder, dass ich noch gut in der Zeit liege und sich mein Training einfach etwas angepasst hat an die äußeren Umstände. Alles im grünen Bereich. Und außerdem geht´s ja gleich wieder auf´s Wasser.

Ab zum Spot und trotz der nicht allerrosigsten Windaussichten stehen wir mit aufgebauten Schirmen und ausgelegten Leinen parat. Oh, ein Windhauch. Ich schnappe mir den 12-m²-Kite und siehe da, ich fahre. Als einzige. Kein anderer Mensch auf dem Wasser. Was ein Traum.

kiten2

Als die Brise sogar noch was auffrischt, wechsle ich zum 9-er Evo, den 12-er überlasse ich meinem Freund und auch ein paar andere Kiter folgen unseren Ambitionen und kommen raus aufs Wasser.
Anfänglich mit ziemlich viel Gekurbel, um genug Power in den Kite zu bekommen, werden die Bedingungen immer besser, bis sie schließlich perfekt sind. Der Spot ist eine einzige Flachwasserspielwiese, nur rund ein Dutzend Sportler haben sich heute hier her verirrt. Wahnsinn! Die erwartete Pleite mit zu wenig vorher gesagten Wind wird zu meiner besten, erfolgreichsten und coolsten Kitesession seitdem ich im März damit angefangen habe! Endlich bin ich keine Anfängerin mehr. Den Kite beherrsche ich schon etwas länger sehr sicher, heute habe ich meine ersten Sprünge geschafft, ohne mich auch nur einmal auf die Nase zu legen. Das Board unter meinen Füßen gehorcht mir trotz einiger kleiner Wellen, der Kite steht wie gemalt am Himmel. Ich habe Platz wie eine Schildkröte in der Sahara umd übe, übe, übe, fahre, übe, fahre. Ein paar Kiter zeigen Daumen hoch. Sie erkennen natürlich, dass ich übe und nicht schon alles kann. Was ein Gefühl. Ist das so auch beim Marathon? Die Zuschauer am Rand, die gucken und mir zurufen, dass ich das schaffe? Meine Familie und Freunde, die mir beistehen, durch ihre pure Anwesenheit am Straßenrand?

Nach nicht ganz drei Stunden habe ich Puddingbeine vom Kiten. Ich gehe aus dem Wasser. Lande als i-Tüpfelchen sogar das erste Mal meinen Kite selbst und bin der wohl glücklichste Mensch auf Erden. Endorphine, ahoi!

Essen, müde. Schlafen.