Brooks

Noch 36,195 Tage

Anita Horn Mein Marathon

27.August
Gesagt. Getan. Erst ein kleines Warm-Up und ein paar Kräftigungsübungen für Bauch und die unterschätzten Arme. Dann noch zwei Gläser Wasser trinken und los geht´s. Bewaffnet mit einem Umgebungsplan, damit ich nicht nach einer halben Stunde wieder ausversehen auf der Matte stehe. Und siehe da. Es ist herrlich! Keine Spur von schweren Beinen, die Temperatur ist bei beginnendem Sonnenuntergang völlig erträglich und die Hügel machen mir dank gezieltem Armeinsatz rein gar nichts mehr aus.

Ich habe Musik auf den Ohren und genieße die Landschaft. Kein Mensch ist weit und breit zu sehen, nur ein paar Kaninchen und komische Vögel. Ich bin ganz alleine und absolut bei mir. Ich verschmelze mit der Natur, die Musik ist wie Energie, die durch mich durchfließt. Apropos Musik – dieses Thema beschäftigt mich schon seit einiger Zeit peripher. Ich muss mir unbedingt eine gute Playlist mit Guter-Laune-Musik zusammenstellen für den Marathon. Und mal testen, ob der Akku auch wirklich so lange halt. Hmmm… „so lange“? Wie lange denn eigentlich? Also mit Puffer plane ich vielleicht mal fünf Stunden ein. Da sein würde ich gerne in unter fünf Stunden. Vielleicht schaffe ich ja was zwischen 4h 30min und 5h. Der Weg ist das Ziel. Neulich habe ich noch von einem befreundeten Pärchen gehört, wo der Mann sich übernommen hat, zu schnell los gelaufen ist, nach 30 Kilometern eingebrochen ist und die gemütlich trabende Freundin letztendlich nur 15 Minuten später im Ziel war.

Ich laufe zwar alleine (was ich auf so einer Strecke, bei der es auf einen guten, individuellen Rhythmus ankommt, nicht so schlimm finde – wobei quatschen und Empfindungen teilen garantiert Vorteile hätte…), aber sowas soll mir nicht passieren. Bei meinem bisher längsten Trainingslauf über 23 km hatte ich das perfekte Tempo. So will ich den Marathon laufen. Ich war nach 2h 8min und 34sek wieder zu Hause und habe zwar durchaus meine Knie gemerkt, aber mir ging es konditionell 1A. Ich bin super langsam losgelaufen, bis meine Beine später selbst das Tempo bestimmt haben. Wir sind halt doch ein gutes Team.
Vorbei an kleinen Tümpeln und großen, wassergesprengten grünen Wiesen, unmittelbar neben vertrockneten Feldern und unbefahrenen Landstraßen ziehen Weg und Zeit an mir vorbei. Ich hab mir auf dem Umgebungsplan vorher eine Runde ausgesucht, die mich nach etwa einer Stunde wieder zurück zur Unterkunft führen müsste. Und siehe da, ich erkenne die Kreuzung wieder, und den ersten Hügel, den ich beim Start vorsichtig hinab getrabt bin. Die letzte, wirklich fiese Steigung. Geschafft. Danke, Arme! Danke, Beine! Danke, Kopf! Bitte, Körper – hier ein Liter wohl verdientes Wasser, nur leicht gekühlt, und bitte, Seele – voila der unglaubliche Ausblick auf diese wahnsinnig rote, erorme untergehende Sonne. Gleich verschwindet sie hinter einem Hügel. Hinter genau jenem, der mich gerade noch klein kriegen wollte und es nicht geschafft hat.

Danke, du bekloppte Idee, du verrücktes Hirngespinst, bald 42,195 Kilometer nur auf meinen Füßen zurück legen zu wollen. Danke, dass ich noch was zu essen vom Vortag hatte. Diesmal selbstgemachte Tortilla.

Boah schmeckt das gut heute! Und jetzt, danke Sandmann. Gute Nacht.