23.August
Der Wind hat gestern nur mäßig mitgespielt. Ich bin kein bisschen ausgepowert, also muss ich heute dringend etwas tun. Ganz nach Trainingsplan. Naja, leicht abgewandelt. Bei 36 Grad und den ungewohnten Verhältnissen (fremde Strecken, keine Ahnung wo mal ein kleiner Laden für eine kleine Trinkpause zur Verfügung steht, im Gegensatz zu meiner Strecke durch den Park und meiner Stammtankstelle und die große Auswahl isotonischer Kaltgetränke) sollte man es ja nicht übertreiben. Also trinke ich reichlich vor, fahre (mit Freund und Kitekram) zum Strand und mache mich dort – bevor ich überhaupt dazu komme mir eine formgerechte Kuhle in den Sand zu erarbeiten – direkt auf die Socken. Ohne Socken und Schuhe allerdings.
Barfußtraining. Durch den fast muschelfreien Sand. Ich muss dazu sagen, ich bin kein Freund des Frühsports. Deshalb ist es auch schon 16.30h und mit der leichten Brise (zum Kiten nicht genug, zum Abkühlen beim Laufen gerade ausreichend) ist es nicht mehr völlig bescheuert, jetzt eine ambitionierte sportliche Betätigung an den heißen Nachmittag zu legen. Ich schmeiße mich dennoch in meine 3/4-lange Laufhose und mein Funktionsshirt. Damit die ganzen faulen Sonnenanbeter wenigstens sehen, dass sie es hier mit einer echten Läuferin zu tun haben und nicht mit einer gehirnverbrannten Eintagsfliege, die gerne mal eine Prise Ozon inhalliert. Und siehe da, die Strandspaziergänger machen ungefragt Platz, die zwei anderen verrückten Läufer grüßen wortlos mit einem leichten Kopfnicken und die Windsurfer, die schon bei viel weniger Knoten aufs Wasser können, gucken etwas mitleidig und suhlen sich provokativ in ihrem extra produzierten Spritzwasser. Mir egal, nach ein paar Minuten mit extrem schweren Beinen (muss das Bier von gestern Abend sein. Oder diese unnormale Hitze heute) und nach einigen Fehltritten auf die doch ein oder andere angespülte Muschel habe ich in meiner ersten eigenen Feldstudie am Strand gelernt, wo der Sand zum Laufen am geeignetsten ist.
Zu nah am Wasser liegt zuviel Zeug auf dem Boden und man muss immer wieder einen Haken schlagen, um höheren Wellen zu entkommen. Und weil ich schließlich vorwärts kommen und meine Knie und zarten Fußsohlen schönen will, entfernen ich noch ein wenig vom Meer. Bis zu den sardinenartig aufgereihten Strandgästen habe ich etwa vier Meter Platz. Allerdings wird dieser Teilabschnitt auch bestimmt durch eine unfassbare Steigung. Und schräg zu laufen, das will ich mir dann auch nicht antun. Es bleibt also nur der Gang hinter die Menschenmassen. Da alle Richtung Wasser gucken, bleiben mir zwar keine bewundernden Blicke mehr. Dafür aber puderzuckerweicher Sand in dem man Schritt für Schritt versinkt. So komme ich keine fünf Minuten weiter. Ich entscheide mich also für den hintersten Stranbdabschnitt, da wo ein paar vertrocknete Sträucher mich irgendwie zu verspotten scheinen. Mit ihren ausgedörrten Stengeln zeigen Sie auf mich und tuscheln im Windhauch über meinen immer langsamer werdenden Tritt und mein sich gemächlich rot verfärbtes Gesicht. Guckt nur doof. Denke ich. Hier ist der Sand ausreichend festgetrampelt. Hier kann ich ewig laufen.
Dumm nur, dass an dieser Stelle, als ich gerade meinen Rhythmus gefunden habe, riesige Felsbrocken unter dem Sand hervorstechen. Gut, dann eben ein kleiner Hindernislauf. Allerdings gesellen sich nun auch zertrampelte Muscheln hinzu, die sich fein säuberlich in meine Füße bohren. Mir reichts, ich drehen um, schenke den Sträuchern und Siegern keinen Center Beachtung, korrigiere meine Haltung und komme triefend vor Hitze zurück zu meinem Strandtuch, dass gekonnt von meinem Freund bewacht wird. Er hat alle Viere von sich gestreckt und schnarcht leise. Zum Glück hat er so wenigstens noch nicht das ganze Wasser leergetrunken. Ich nehme einen großzügigen Schluck und frage mich im selben Moment, wieso ich nicht gleich einen Teebeutel in die Flasche gehängt habe. Trotzdem würge ich die blubbernde Brühe hinunter und gucke gekonnt unirritiert auf meine Uhr. Das kann nicht sein! 31 Minuten? Länger war ich nicht weg?? Verdammt. Ich fühle mich wie nach einem Intervalllauf in der Sauna! Meine mentale Alarmsirene geht an. Nur noch 40,195 Tage bis zum Marathon. Wie soll ich das nur schaffen?